Bildung und Bistum

Der Zusammenhang von Orts- und Gesamtkirche*

Es mag überraschen, daß das Rechtsbuch der Kirche, von dem die Frage einer Verhältnisbestimmung von Bildung und Bistum weit entfernt scheint, wichtige Hinweise zu diesen Thema geben kann. Im Canon 369 des Codex Iuris Canonici findet sich eine für die nachfolgenden Überlegungen aufschlußreiche Bestimmung des Bistums: „Eine Diözese ist der Teil des Gottesvolkes (populi Die portio), der dem Bischof in Zusammenarbeit mit dem Presbyterium zu weiden anvertraut wird; indem sie ihrem Hirten anhängt und von ihm durch das Evangelium und die Eucharistie im Heiligen Geist zusammengeführt wird, bildet sie eine Teilkirche, in der die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche Christi wahrhaft gegenwärtig ist und wirkt.“

Gehen wir zunächst dieser Definition von Bistum nach und heben einige, nicht unmittelbar aufscheinende Bezüge hervor, die in der grundlegenden Unterscheidung von Teilkirche und der über- und umgreifenden einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche entspringen. Wie verhalten sich hier Teil und Ganzes? Teil wird nicht als separiertes, in sich stehendes Einzelnes, das Ganze nicht als Resultat einer Montage von Einzelstücken verstanden, sondern vom Ganzen wird behauptet, daß es dem Teil innewohnt und gerade so wirksam wird („inest et operatur“).

Bei näherer Betrachtung zeigt sich, daß in dem genannten Canon drei Dimensionen eröffnet werden, die für eine Verhältnisbestimmung von Bildung und Bistum von Bedeutung sind.

Die erste Dimension: In der Bestimmung des Bistums sind mehrere Momente gegenwärtig, auf deren Formalität wir zunächst achten wollen. Zunächst gibt sich das Ganze in den Teil hinein, findet so seine konkrete Gestalt und wird dann aus dem Teil wirksam, so daß der Teil plastisch wird. Schließlich bleibt in [19] diesem Vorgang der Teil zwar Teil, ist aber bezogen auf andere Teile, mit denen zusammen er nur Ganzes sein kann. Kirche als Ganze ist also im Bilde, indem sie im Bistum ist; Bistum ist Plastik – nicht bloß Bild im Sinne eines schematischen Abbildes, sondern als lebendiges Geschehen der ganzen Kirche; Bistum ist erst im Bilde, indem es mit anderen Bistümern im Bild des Ganzen verbunden ist.

Zweite Dimension: Im Canon 369 werden drei konstitutive Elemente der Bestimmung des Bistums genannt: das Evangelium, die Eucharistie und die Gemeinschaft. Damit im einzelnen Bistum das Ganze im Bild sei, das Bistum ins Bild des Ganzen komme und das Bild des Ganzen gebe, ist Verständigung in der einen Botschaft, die überall und stets gilt, unerläßlich. Es bedarf des erhellenden, Leben spendenden, Orientierung gebenden, einenden Wortes. Das Ganze wird in seiner Fülle gegenwärtig, wo es eingeht in die konkrete Lebensbewegung Jesu, sich inkarniert: Das Ganze gibt sich ganz in der Eucharistie. Schließlich wird durch Worte wie „concreditur“ und „congregata“, die personales Anvertrautsein und Gemeinschaft bezeichnen, auf jenen Ort verwiesen, an dem die Botschaft als das konkret gewordene Ganze aus seinem Ursprung lebt. Das einende Wort, das Leben in der Fülle seiner Gestalthaftigkeit und die Gemeinschaft charakterisieren wesentlich das Bistum.

Dritte Dimension: Im Canon 369 gewinnt die Diözese ihre Bestimmung aus einem vielfältigen, lebendigen Zusammenhang, der seinen Weg zum einen von der Mitte des Bistums her, zum anderen auf diese zu nimmt: So wird – vom Herrn her – dem Bischof in Zusammenarbeit („cum cooperatione“) mit dem Presbyterium der Teil des Gottesvolkes zu weiden anvertraut („concreditur“), der das Bistum bildet; das Gottesvolk hängt („adhaerens“) seinem Hirten an: Bewegung auf den Herrn hin. Von innen aber wird so die Teilkirche im Heiligen Geist zusammengeführt („in Spiritu sancto congregata“), zur Einheit geformt.