Dein Herz an Gottes Ohr

[104] Veni – Komm!

Gibt es ein ganz großes Gebet, das ganz knapp ist? Ein Gebet in nur einem Wort?

Veni – komm!

Es ist ein Urgebet.

Das Urgebet des Advent – das Urgebet um den Geist.

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Adventsgebet: Ruf der Braut, die auf den Bräutigam wartet, bis er sich offenbart in seiner Herrlichkeit und ihr das bestaubte Pilgerkleid abnimmt, um sie für ewig in seine eigene Herrlichkeit zu hüllen (vgl. Offb 22,5). Adventsgebet also, in dem die Kirche, die Menschheit, wir hinausrufen über das wechselvolle Meer der Geschichte hin zum Strand, an dem der Auferstandene steht und uns zum Mahle einlädt (vgl. Joh 21,4–13).

Adventsgebet auch dessen, der weiß: Der Herr ist da, er sieht mich und begleitet mich. Doch wie das Kind immer neu in die offenen Arme der Mutter hineinläuft, die Liebende von dem, den sie liebt, immer neu an sich gezogen werden will, so und noch mehr erkennt der Glaubende: Da-sein selbst ist beständige Steigerung, Nähe ist immer mehr und immer wieder [105] Kommen. Alles will gelöst, verwandelt, erfüllt werden vom je größeren Gott. Er soll der je nähere Gott für mich sein. „Wer mich aber liebt, wird von meinem Vater geliebt werden, und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren ... Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen“ (Joh 14, 21b und 23).

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Geist-Gebet: Die großen Gebete um den Geist, das Veni Creator, die Pfingstsequenz, das Veni Sancte Spiritus, heben alle mit dem „Veni“ an. Wir können nur im Geist zu Jesus „Herr“ und zum Vater „Vater“ sagen. Aber nur im Sohn, sozusagen zwischen Sohn und Vater, können wir den Geist finden – und um ihn bitten. Wer um ihn bittet, der ist schon im Spiel der Liebe zwischen Sohn und Vater, der sagt zum Geist, zu der Gabe des einen an den anderen, des anderen an den einen: „Komm“ – und er kommt immer neu und immer mehr, bis wir aus aller Ferne, Dürre, Härte, Schwäche, Fremde eingeholt sind ins Mitspielen und dieses Mitspielen dort anzetteln helfen, wo eben die Ferne, Dürre, Härte, Schwäche, Fremde herrschen.

Veni – hol uns in dein Spiel, in deine Liebe, und sende uns, damit viele „veni“ rufen.