Gerufen und verschenkt. Theologischer Versuch einer geistlichen Ortsbestimmung des Priesters

[11] Einleitung

Was will dieses Buch? Die Brüder zu stärken, gehört zu den wichtigsten Aufgaben eines Bischofs. Und oft genug erschrickt er dabei, wie sehr er hinter dieser Aufgabe zurückbleibt. Dieses Erschrecken wird nicht geringer, sondern größer sein, wenn ich die Seiten dieses Buches fertiggeschrieben habe. Und doch möchte ich es mir selber zumuten, sie zu schreiben. Denn immer noch besser, den Auftrag zu unterbieten, als ihn beiseite zu lassen. Aber – so muß ich mir selber einwenden – ist es denn notwendig, statt auf andere Bücher hinzuweisen, die kompetent und hilfreich der theologischen Klärung und spirituellen Vertiefung priesterlichen Selbstverständnisses dienen, selber ein Buch zu schreiben? Nun, ich habe es nicht eigentlich „geschrieben“. Es ist erwachsen aus Rekollektionen, Vorträgen, Exerzitien, Gesprächen mit priesterlichen Mitbrüdern. So sind es denn mehr Gesprächsnotizen, durch die sich allerdings ein roter Faden zieht, und ich hoffe, daß sie von diesem roten Faden wieder weggezogen und ins Gespräch der Mitbrüder, ins Gespräch mit Gott und ins Gespräch miteinander, aber auch in die persönliche intellektuelle Auseinandersetzung eingebracht werden. Denn dies in der Tat scheint mir notwendig, noch mehr mit Gott und miteinander über den Glauben und auch über die eigene Berufung zu sprechen. Ich habe aus diesen Gesprächsnotizen kein dogmatisches oder spirituelles System gefugt. Viele Fragen, die auch mir im Blick auf priesterliche Existenz und priesterlichen Dienst wichtig sind, werden nicht thematisch aufgegriffen. Dennoch [12] ist mir selber beim Prozeß, der zu diesem Buch führte, der geistliche Standort des Priesters, mein geistlicher Standort, deutlicher geworden. Immer wieder bin ich auf eine einzige Mitte gestoßen, die mein Sein und Wirken trägt und orientiert. Ich hoffe, daß dem einen oder anderen Leser ähnliches widerfahrt und dies ihm helfen kann beim Sehen und beim Gehen im Felde der priesterlichen Berufung.