Das Wort für uns
[11] Weihnachten: Das Wort wird Fleisch
Es ist beinahe ärgerlich: eine solche Spannweite geschichtlicher Menschheitserfahrung, eine solche Fülle von Zeugnissen sich ablösender Kulturen, überwältigender Ausdruck auch der immer neuen Anläufe menschlichen Mühens ums Geheimnis, ums Heilige, um Gott – und dazwischen dieser winzige Punkt des Lebens Jesu, diese beinahe spurlos verwischte Spanne der dreißig Jahre. Das kann einen überkommen, wenn man Israel besucht, wenn man das Heilige Land erfährt, und es ist gut, dieses Ärgernis zu verspüren. Denn dann kann einen auch neu der Anspruch der Botschaft betreffen: Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt. Nun, man kann auch hier, in unserer Alltagswelt, eine ähnliche Erfahrung machen. Ist es nicht immer wieder schockierend, wieviel Ange- [12]bote von Ideen, von Heilslehren uns umdrängen – und da soll diese eine, kleine, manchmal so harmlos wirkende, manchmal so ungeheuerlich klingende, manchmal so weit weggerückte, manchmal so ins Selbstverständliche aufgelöste Botschaft des Christlichen die Wahrheit, die Antwort sein, über die hinaus es keine andere Wahrheit und keine andere Antwort gibt?
Dennoch, gerade dies ist die Botschaft, die uns „umwerfen“, die Botschaft, die uns zugleich aufrichten kann, die Botschaft, die den Menschen unendlich übersteigt und doch sein Innerstes erreicht, die Botschaft, die ihn identifiziert und herausfordert in einem: Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.
Versuchen wir in drei Anläufen, uns dieser Botschaft anzunähern, sie wieder zur Botschaft für uns werden zu lassen.