Zur Theologie der Repräsentativität in der Kirche
[22] „Ist diese Synode, dieser Rat, diese Kommission auch repräsentativ zusammengesetzt?“ Derlei Fragen sind das tägliche Brot für den Katholiken, der mit Planungen und Entwicklungen im kirchliehen Leben unseres Landes – gleichviel auf welcher Ebene – zu tun hat. Selbst wenn jemand solche Fragen nicht besonders schmecken, wenn er sie für zu kleinkariert hält und unproportioniert, was Maß und Ziel in der Kirche sein kann, er kommt daran nicht vorbei.
Genau besehen, könnte das Wort von der Repräsentativität sogar als ein Ur-und Grundwort des Glaubens und der Kirche gelten, unabhängig vom Streit um die wirkliche oder sogenannte, so oder anders verstandene „Demokratisierung“ der Kirche. Denn es trifft in letzter Radikalität zu auf den, der für Glaube und Kirche Grund, Anfang und Maß ist: auf Christus selbst.
Es ist eigentümlich. Wenn man einmal von den geschichtlichen Vorgaben und Vorgängen absieht, die zu kennen nötig wäre, um einen ausgewiesenen Begriff dessen zu gewinnen, was „repräsentativ“ heißt, wenn man einfach einmal das Wort heraushebt aus der Gängigkeit, seiner Bedeutung und seines Gebrauchs und hineinhört in das, was dabei doch unmittelbar angesprochen wird vom Bedürfnis, von der Frage, ja vom Wesen des Menschen, dann trifft man hinein in eine tiefere Tiefe, als man es zunächst vielleicht vermutete. Repräsentativität ist dadurch nicht definiert, aber es gehört doch zur Grundvorstellung, die sich in ihrem Begriff verdichtet, daß Menschen vertreten werden können durch andere, daß einer stehen könne für viele, daß etwas Umgreifenderes, Allgemeineres sichtbar werden könne in einem Bestimmten, Einzelnen. Wenn es so etwas wie Repräsentativität überhaupt gibt, dann sind die Meinungen und Wünsche der Menschen, ja mehr noch: dann sind die Menschen selbst nicht nur isoliert Neben einandergereihtes. Die unvertretbare Einmaligkeit eines jeden erschöpft nicht das Wesen der Person, es gibt etwas wie Offenheit zum anderen, zum Ganzen hin, die den anderen und das Ganze im eigenen Dasein, in der eigenen Personalität, gegenwärtig setzt.
Hierdurch wird es möglich, daß die Einheit einer Gruppe, einer Gemeinschaft, eines Volkes, ja der Menschheit geschichtlich Gestalt gewinnt, Gestalt in einer Persönlichkeit oder einer Gruppe von Persönlichkeiten! Zugleich wird deutlich, daß Repräsentativität von solchen Ansätzen her mehr darstellt als eine Spiegelung dessen, was viele wünschen, denken oder tun, im Wünschen, Denken oder Tun eines einzelnen, des Repräsentanten, der so nur die verkleinerte Photographie des Gesamten wäre, ohne eigene Initiative und Spontaneität. Vielmehr ist es gerade dieser Charakter der eigenen Ursprünglichkeit und Freiheit, wenn man so will: der eigenen „Unvertretbarkeit“ des einzelnen, der ihn dazu befähigt, die vielen in ihrer Freiheit und Unvertretbarkeit zu „vertreten“.
Ich bin ich selbst, und ich bin in einem umgreifenden Ganzen, und dieses Ganze selbst ist dadurch „mein“ Ganzes, daß es mitgeprägt und mitgetragen ist von mir selbst, ohne aber bloß Produkt aus den in sich selbst verschwindenden Faktoren der vielen einzelnen zu sein; sie kommen als einzelne im Ganzen hervor, indem sie in ihm durch einzelne repräsentiert sind, die Geschick und Gestalt des Ganzen unmittelbar zur Darstellung und zum Ausdruck bringen.
Von diesem Hintergrund aus läßt sich deutlicher verstehen, was eingangs gesagt wurde: Repräsentativität kann als Ur- und Grundwort des Glaubens und der Kirche gelten: denn es trifft in seiner entscheidenden Tiefe zu auf Jesus Christus selbst.
Er ist der „Repräsentant“ seines Vaters, in ihm ist Gott gegenwärtig innerhalb der menschlichen Geschichte. Wer ihn sieht, der sieht den Vater (vgl. Joh 14,9). Dieser repräsentative Charakter Christi ist ausgesprochen, wenn er das „Wort“ (Joh 1,1 ff.), das Sich-über-sich-Hinaussagen, das „Bild“ (vgl. Hebr 1,3), das Über-sich-Hinausscheinen des unsichtbaren Gottes heißen darf.
Doch darin erschöpft sich das „Repräsentative“ an der Gestalt Jesu nicht. Er. ist repräsentativ auch in der genau anderen Richtung. In ihn sind wir repräsentiert, er steht für die anderen, für alle Menschen - vor Gott. Er ist der „Ecce homo“, der Abriß und Inbegriff der Menschheit, der Gottesknecht, auf den die Last aller gelegt ist, das Lamm Gottes, das die Schuld der Welt trägt; er, der keine Sünde kannte, ist für uns zur Sünde gemacht (vgl. 2. Kor 5,21). In ihm ist nach dem abgründigen Wort des Epheserbriefes das All rekapituliert (vgl. Eph 1,10), also zusammengefaßt zur Einheit durch ihn als das eine, neue, erneuernde Haupt.
Die biblischen Anspielungen und Zitate, die hier aneinandergereiht sind, gehören in verschiedene Schichten der neutestamentlichen Theologie über Jesus Christus. Sein Geheimnis ist für den Glauben in keiner Weise zu verstehen, wenn er herausgenommen wird aus diesem doppelten Kontext der Repräsentation. Jesus ist nicht nur etwas oder einer Gott gegenüber oder den Menschen, gegenüber; er ist das Dasein Gottes für den Menschen und das Dasein der Menschen für Gott und in Gott. Die doppelte Problematik der Repräsentation „wie der entzogene Gott zur „Gegebenheit“ kommen könne in der Geschichte und wie die Menschheit zur „Gegebenheit“ kommen könne in einer konkreten geschichtlichen Gestalt, sind – für den Glauben – in Jesus Christus gelöst.
Diese Lösung ist einmalig und einzigartig, sie zerrinnt, wenn die konkrete und einzelne Gestalt Jesu Christi zum bloßen beliebig wiederholbaren Prinzip oder Vorbild wird. Gleichwohl ist in der Repräsentativität Christi das menschliche Wesen – wiederum für den Glauben – begabt mit einer neuen Tiefe seiner repräsentativen Grundanlage: Es gibt Repräsentativität für Christus, Christus läßt sich repräsentieren durch Menschen in der Geschichte. Paulus sagt: „Wir bitten an Christi Statt: versöhnt euch mit Gott.“ (2. Kor 5,20) Christentum umfaßt beides zugleich: Unmittelbarkeit zu Jesus Christus, sein unmittelbares Dasein bei uns und Vermittlung Christi, seine Gegenwart in Menschen und durch Menschen.
An ein paar Grunddimensionen solcher Repräsentativität für Christus sei erinnert. Die apostolische Vertretung Christi wurde bereits genannt; sie läßt sich zumindest vom katholischen Verständnis des Amtes in der Kirche auch dann nicht trennen, wenn durchaus der apostolische Charakter der Kirche als solcher und als ganzer zugleich anerkannt, wird. Daneben gilt es aber auch, die anderen Worte ernst zu nehmen: vom geringsten Bruder, mit welchem der Herr sich identifiziert, so daß, was diesem getan wird, dem Herrn selbst geschieht (vgl. Mt 25,40); vom „Kind“ das aufzunehmen Jesus selbst aufnehmen heißt (vgl. Mt 18,2).
Wenn Christus sich identifiziert mit jedem Menschen, wenn er ihn in sich hineinnimmt und damit hineinnimmt in sein Verhältnis zum Vater, dann ist in der Tat Gott der von ihm Angenommene auch die Stelle, an der wir ihn berühren. Und wenn Gott uns das Ärgernis zumutet, in der Endlichkeit und Einzelheit eines Menschen bei uns zu sein, sich total in einem konkreten Leben und Sterben uns Menschen zu- und auszusagen, dann ist die „Sprache“, in welcher sich diese Mitteilung Gottes auch geschichtlich weitersagt und weiterträgt, füglich menschliches Dasein, menschliche Endlichkeit; die Fortsetzung der Sendung Jesu durch die Sendung dessen, der für Jesus, an seiner Stelle für die anderen steht, ist nicht Verschleierung, sondern Präsenz, Repräsentanz des einmaligen Geheimnisses Jesu selbst.
Es muß aber noch etwas erwähnt werden, wenn von Repräsentativität für Christus die Rede ist: Er hat uns seinen Geist gesandt. Im Geist bleibt er bei uns, in unserer Mitte, in seiner Kirche, solange der Lauf der Welt dauert. Der Geist schenkt uns Jesu Gegenwart unmittelbar, im Geist dürfen wir wissen, daß der Herr selbst in uns wohnt; im Geist wird es möglich, daß wir so in Jesu Namen uns versammeln, daß er selbst mitten unter uns ist (vgl. Mt 18,20). Aber der Geist ist nicht nur der Aufbruch aller geschichtlichen Mittelbarkeiten ins Unmittelbare, in den lebendigen Bezug zum gegenwärtigen Herrn. Der Geist ist es auch, der sich in den vielerlei Gaben und Diensten, in den „Charismen“ ins geschichtliche Leben der Kirche hinein entfaltet (vgl. z. B. 1. Kor 12,4).
Um von hier aus einen Blick auf die Frage der „Repräsentativität“ für Christus zu werfen: Die einzelne Gabe ist Gabe des Herrn, er ist es, der sich – in ihr gibt. In seiner Gabe, in seinem Charisma „repräsentiert“ der einzelne den Herrn. Zugleich ist aber der Herr doch nur „da“, leibhaftig sichtbar und Gestalt in der Geschichte durch die „Gemeinschaft“ der Charismen, die sich gegenseitig aneinander verschenken zur „Auferbauung des Leibes“, (vgl. Eph 4,12). Die Repräsentanz Christi durch den einzelnen Dienst, durch die einzelne Gabe, hat etwas Teilhaftes, Bruchstückhaftes, Ergänzungsbedürftiges an sich. Es ist die „List“ der Liebe, daß alle aufeinander angewiesen sind, jeder im anderen den Herrn zu finden hat, keiner für sich allein das Ganze und den ganzen Herrn beanspruchen darf. Es braucht den Vollzug dessen, was der Herr selber als den Vollzug seines Lebens und Sterbens übte, es braucht das Weggeben, Verschenken, damit der Herr in der partiellen Gabe aufscheinen kann.
Gewiß ist unter diesen vielerlei Gaben des Geistes die eine auch das Amt, in welchem die Einheit als solche sichtbar werden soll und in welchem die Sendung Christi in die Einheit des Ganzen hinein lebendig fortwähren soll. Es gibt ein amtliches Sprechen „im Namen der Kirche“. Aber die Repräsentanz Christi durch die Kirche wäre selbst nicht in ihrer ganzen Fülle gesehen, wenn man sie auf diese eine, freilich auch in sich allein „gültige“ Weise begrenzen wollte. Auch das Amt erhält seine Fülle durch die liebende Zuordnung zum Ganzen, durch den Kontakt mit den vielerlei Charismen, die es ernst zu nehmen gilt, ohne daß dadurch das Amt das Produkt der anderen Charismen würde, wie auch umge¬kehrt sie nicht Produkt des Amtes und dennoch konstitutiv verwiesen sind auf den einenden Dienst des Amtes, um im Ganzen, in der Einheit des Christus zu sein, der das Haupt ist liiit-samt den! Gliedern (vgl. 1. Kor 12,12).
Wenn .man die vielerlei Aussagen über die Repräsentativität für Christus in der "Kirche und durch die Kirche formelhaft zusammenzieht, so bleiben drei Elemente oder Hinsichten zu unterscheiden.
Zum einen wird Christus repräsentiert durch die Sendung, die von ihm aus geht und der dasselbe „Ärgernis“ anhaftet wie ihm selbst, der im Namen des Vaters zu uns gekommen ist. Es ist die apostolische Sendung der Kirche und die apostolische Sendung in der Kirche.
Zum anderen wird repräsentiert durch jeden einzeln auch durch den Letzten und Geringsten, denn er selbst hat sich mit jedem identifiziert – grundsätzlich mit jedem Menschen, doch wo Glaube und Taufe, die Einfügung in die Gemeinschaft der Kirche, hinzukommen, da ist diese Identifikation Christi mit dem Menschen auch von der Seite des Menschen her „ergriffen“ und grundsätzlich angenommen.
Und schließlich sind vielerlei Gaben, in welchen der Herr dann repräsentiert wird, wenn diese Gaben sich nicht isolieren, sondern eingenem Lebensgesetz gemäß zur Geltung kommen: Die Gaben Gottes sind fürs Ganze da, sie sind zum Geben da; sie sind füreinander da, und so ist er in ihnen da, der sich für alle, für die Welt gegeben hat.
Gewiß wäre es peinlich, wollte man aus so grundlegenden und allgemeinen Gedanken Antworten herausdestillieren für die praktischen Alltagsprobleme.
Es wäre freilich genauso bedenklich, wenn man diese konkrete so lösen wollte, wie wenn sie mit Christus und der Kirche nichts zu hätten. Es genügt, auch bei den kirchlichen Strukturdebatten unserer Stunde, nicht, daß man sich auf gesellschaftlichen Entwicklungen und Fortschritte beruft, denen man sich um der Menschwerdung des Wortes willen nicht verschließen könne.
Die Konsequenz aus den angestellten Erwägungen für die Lösung der praktischen Probleme, die mit der Repräsentativität in der Kirche zusammenhängen liegt vielmehr darin, daß wir einige wenige Kriterien festhalten, die für die Praxis entscheidend sind, ohne daß jedoch die Einzelheiten als solche aus ihnen abzuleiten wären.
Einer Zwischenfrage müssen wir uns noch stellen. Wir sprachen von der „Repräsentativität für Christus“. Erschöpft sie das, worum es bei unserem Thema geht? Nicht nur Christus soll doch repräsentiert werden, sondern die menschliche Vielfalt, die ebenso zur Kirche gehört, die Menschen der Kirche. Gewiß. Aber das ist es gerade: Jesu Identifikation mit dem Menschen wird in der Kirche von den Menschen angenommen, die sich von Gott in Jesus angenommen wissen und darum einander als Gemeinschaft annehmen, wie der Herr sie angenommen hat (Röm 15,7). Ihre „Repräsentation“ repräsentiert den Herrn. Dann erst sind sie repräsentiert, wenn der Herr repräsentiert wird in der Kirche. Er freilich kommt dann am deutlichsten zur Darstellung, wenn auch sie selbst zur Darstellung kommen.
Diese Darstellung kann sich aber nicht darin erschöpfen, daß nur eine quantitative Spiegelung der Meinungen und Wünsche oder der selbst quantitativen Zusammensetzung der Kirche aus verschiedenen Gruppen bei der Bildung von Räten und Gremien angestrebt wird. Solche quantitativen Gesichtspunkte sollen nicht „heruntergespielt“ werden, sie habe ihr Bedeutung, doch sie sind für sich allein noch nicht das Prinzip der Repräsentativität in der Kirche.
Was also gehört wesentlich zu solcher Repräsentativität? Vermutlich eben die drei „Grundweisen“ der Repräsentativität für Christus, von welchen die Rede war. Wo es nicht nur um einen Teilbereich kirchlichen Lebens, um eine Initiative in der Kirche, um eine Zusammenfassung gesellschaftlicher Kräfte in ihr geht oder um die Vertretung einer Schicht oder Gruppe, sondern um die Kirch als solche, da gehört wesentlich die Teilhabe des Amtes, konkret des bischöflichen Amtes mit hinzu.
Die apostolische Sendung, ihre Fortsetzung durch das bischöfliche Amt in der Kirche, läßt sich nicht mit dem Begriff einer „gesellschaftlichen Grupp“ oder gar „Minderheit“ in der Kirche erfassen. Das bischöfliche Amt ist für die Einheit der Kirche konstitutiv.
Das zweite Element, das zur Repräsentativität in der Kirche gehört, ist in der Tat die „Zahl“ der vielen. Welche die Kirche sind. „Denn wir alle sind in einem Geiste, daß ein Leib werde, getauft worden, Juden wie Griechen, Sklaven wie Freie. Und wir alle sind mit einem Geiste getränkt worden“ (1. Kor 12,13). Es geht also darum, daß „von unten her“ alle sich artikulieren, alle mitwirken, alle ihren Anteil Anteil einbringen können.
Zwei Schlüsse aus dieser Aissage wären freilich fatal: einmal der Schluß, nur sofern es mit der Vertretung aller in einem numerischen Spiegenild stimme, sei Kirche selbst gültig gegenwärtig. Das über die apostolische Sendung der Kirche und in der Kirche selbst schon gesagte schließt dieses Mißverständ doch wohl aus. Zum anderen der der Schluß, was die [23] Meinung aller ist, das sei automatisch auch Heiliger Geist, weil ja alle ihn empfangen haben.
Wir sind, teilweise zu Recht, vorsichtiger damit geworden, den Heiligen Geist für jede Äußerung kirchlichen Amtes zu bemühen. Es wäre ein ungeistlicher Kurzschluß, nun den Heiligen Geist sofort mit dem zu identifizieren, was alle irgendwann zu irgendetwas meinen.
Die konkrete Aufgabe heißt also: Wie kann es zu einer Vergegenwärtigung aller in ihrer „Gleichheit“ und zu einer Vergegenwärtigung der verschiedenartigen Charismen und Aufgaben zugleich kommen? Wenn zum Beispiel das Statut der bevorstehenden gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik vorsieht, daß die Synode zusammengesetzt sein soll aus Mitgliedern der Bischofskonferenz, den aus jeder Diözese gewählten Synodalen und solchen, die durch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken und Bischofskonferenz hinzugewählt bzw. hinzuberufen werden, so könnten darin wenigstens im Ansatz die drei genannten Dimensionen von Repräsentativität zum Zuge kommen. Das ist durch das Statut freilich noch keineswegs automatisch gewährleistet, es müßte aber zumal bei den hinzuwählenden bzw. hinzuberufenden Gremien als Aufgabe im Bewußtsein stehen.
Es wird freilich hin und wieder die Frage gestellt, ob alle, die getauft und gefirmt und „der Form nach“ Glieder der Kirche sind, ohne aber aus ihrer Gliedschaft an der Kirche aktiv Konsequenzen zu ziehen, denn auch das Recht hätten, über das mitzureden und an dem mitzuwirken, wie das Leben der Kirche sich weitergestaltet. Sollen sie „repräsentiert“ werden in der Kirche, oder ist gar umgekehrt gerade ihre Repräsentation von besonderem Belang, aber durch die Methoden, wie „Wahlen“ durchgeführt werden, nahezu ausgeschlossen?
Es wäre gewiß problematisch, wenn man einen bestimmten Grad von „Aktivität“ festlegen wollte, von dem an es legitim sein soll, an der Kirche mitgestalten und in ihr repräsentiert sein zu dürfen. Andererseits gilt es, auch jene Entscheidung zu achten, die sich zwar nicht total von der Kirche trennt, aber in Distanz zu ihrem lebendigen Geschehen tritt. Es bleibt auf der einen Seite die Aufgabe, daß jene, welche repräsentative Funktionen in der Kirche übernehmen, die Fragen und die Gründe derer mittragen und mitbedenken, die sich von einer tätigen Teilnahme an der Kirche zurückhalten. Wenn Christus alle Menschen „repräsentiert“ und wenn die Kirche alles Menschliche solidarisch mittragen soll, so darf sie erst recht in sich selbst keine Grenzen zu solchen ziehen, die „Abseits“ stehen.
Die Meinung dessen, der sich nicht lebendig in das Ja der Kirche zu ihrem Herrn hineinstellt, stellt keinen aktiven Faktor für den weiteren Weg der Kirche dar. Wie gesagt, seine Not und seine Fragen sind mitzutragen und mitzubestehen, er ist nicht zu fixieren auf seine Distanz und das Gespräch mit ihm gehört hinzu. Doch eine künstliche Weise der Mitrepräsentanz dessen, der entweder gar nicht repräsentiert sein will oder der unter Kirche etwas grundsätzlich anderes versteht als Kirche selbst, wäre sinnlos. Die aktive Möglichkeit der Beteiligung für jeden, der zur Kirche gehört, an den Wahlen zu Räten oder Synoden muß aufrechterhalten bleiben. Sie wird aber doch de facto nur von jenen wahrgenommen, die auch positiv am Leben der Kirche teilnehmen. Die Furcht vor einer „Umfunktionierung“ durch Kräfte und Gruppen, die innerlich die Kirche als solche ablehnen, ist dann ausgeschlossen, wenn verschiedenen Gesichtspunkte der Repräsentativität, von denen die Rede war, einander gemäß ergänzen.
Vielleicht ist es helfend, ja notwendig, bei den Vorschlagslisten, Wahlgängen und Strukturdebatten, wie sie heute offenbar dazugehören, sich einmal daran zu erinnern, daß wir es bei der Frage der Repräsentativität in der Kirche im Grunde durchaus mit etwas Geistlichem und Christlichem zu tun haben. Der Herr repräsentiert den Vater, indem er ihn, seinen Willen und seinen Auftrag bis zum letzten und äußersten hin übernimmt. Der Herr repräsentiert uns, indem er uns bis zum äußersten und letzten übernimmt. Nur in solcher „Übernahme“ kann Repräsentativität in der Kirche gelingen.