Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken und die Diözesen

[95] Das Statut, das Zusammensetzung, Aufgabenstellung und Arbeitsweise des Zentralkomitees der deutschen Katholiken derzeit regelt, ist „ad experimentum“ in Kraft gesetzt; seine Überprüfung ist von Anfang an vorgesehen worden, als es am 10. Juni 1967 verabschiedet wurde. Hat es überhaupt Sinn, über die Funktion einer Einrichtung zu sprechen, die doch demnach selbst noch daran ist, ihren endgültigen Standort zu bestimmen und zu konkretisieren? Es ist indessen vielleicht kennzeichnend, daß die ganze Bewegung von Neuerungen und Erneuerungen, die – nicht erst seit dem II. Vatikanischen Konzil, wenn auch vor allem von dorther – das Leben der Kirche im letzten Jahrzehnt prägt, weithin durch bewußt experimentierende Schritte getragen wurde, man denke nur etwa an die liturgischen Reformen. Gewiß geben Experimentierphasen die Chance kritischer Prüfung und flexibler Weiterentwicklung; doch was zum Experiment drängte, das bleibt zumeist als Impuls erhalten, läßt sich nicht wieder aus dem Geflecht der Lebensbezüge in der Kirche eliminieren. Die Neuorientierung, die das genannte Statut ins Selbstverständnis und in die Tätigkeit des Zentralkomitees der deutschen Katholiken brachte bzw. die es zumindest signalisiert, gehört gewiß zu jenem Weg der Kirche unseres Landes in eine sich verändernde Welt hinein, der grundsätzlich nicht wieder rückgängig zu machen ist. Das Wohin dieses Weges und sein Wie sind freilich die Frage.

Im Interesse dieser Frage aber hat es durchaus Sinn, nach der Funktion des Zentralkomitees für die Diözesen unseres Landes zu fragen. Es soll sich dabei nur teilweise um eine Bestandsaufnahme handeln. Diese wäre gewiß möglich; denn spätestens seit Essen 1968 kann man kaum mehr sagen, daß Katholikentage, die ja entscheidend vom Zentralkomitee mitgetragen werden, ohne Resonanz im Leben der Diözesen blieben; und schließlich waren es Gespräche zwischen Verantwortlichen der Bischofskonferenz und des Zentralkomitees, die den Weg zur Gemein- [96] samen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik einleiteten. Was hier indessen versucht werden soll, beschränkt sich nicht auf die Darstellung von Geschehenem und auch nicht auf die Nachzeichnung von Entwicklungslinien, die durch die innerlich erregende über hundertjährige Geschichte des Zentralkomitees auf unsere Gegenwart hin zu ziehen wären. Statt dessen sollen die gegenwärtige Situation kirchlicher Entwicklung und der Ort umrissen werden, den in ihr das Zentralkomitee der deutschen Katholiken einnimmt, vielleicht: den es einnehmen sollte und könnte, gerade im Interesse der Kommunikation und Kooperation zwischen den Bistümern unseres Landes.

Eine solche Überlegung könnte wenigstens mittelbar dem dienen, worauf es bei Experimenten eben ankommt: der Klärung des Impulses, der im Experiment durchbricht und nach vorne weist, und der Richtung, in welcher sich dieser Impuls weiter konkretisieren und in seiner Gestalt verändern muß, um sein Ziel zu erreichen.

Wenn Konzeption und Arbeit des Zentralkomitees der deutschen Katholiken gerade auf seine Funktion für die Bistümer unseres Landes hin befragt werden, so ist dies nicht eine beliebige und zufällige Auswahl unter den vielerlei möglichen Hinsichten, in welchen es mit dem gesellschaftlichen und kirchlichen Leben verflochten ist. Das Thema Zentralkomitee und Diözesen ist aus mehrfachem Anlaß besonders aktuell. Einmal stellen die gewählten Vertreter der Diözesanräte im Zentralkomitee selbst nunmehr eine neue und das neue Gesicht des Zentralkomitees deutlich mitprägende Gruppe dar, was auch in der thematischen Arbeit des Zentralkomitees zum Ausdruck kommt. (Es gibt z. B. einen Ständigen Arbeitskreis des Zentralkomitees für Strukturen kirchlicher Mitverantwortung und im neu errichteten Beirat des Zentralkomitees für innerkirchliche Aufgaben der Laien eine Arbeitsgruppe „Einheit und Vielheit der Dienste“, die sich namentlich mit den Fragen befaßt, die theologisch und praktisch für Aufgabe und Verständnis der diözesanen Räte von Belang sind.) Zum andern spielt das Verhältnis zwischen Zentralkomitee und Diözesen in der Vorbereitung und Durchführung der Gemeinsamen Synode auf vielfältige Weise eine gewichtige Rolle. Wie die Räte in den Diözesen, deren Satzungen sich derzeit ebenfalls im Stadium des Experimentes befinden, sich weiterentwickeln werden, wo der Schwerpunkt ihrer Aufgaben liegt, welches die künftige Form ihrer Kooperation, Differenzierung oder Integrierung auf Bistumsebene sein wird, dies alles reicht zudem hinein in die Zukunft des Zentralkomitees selbst.

Über derlei aktuelle Anlässe hinaus ist die Frage nach der Funktion des [97] Zentralkomitees für die Diözesen jedoch in einer tieferreichenden Weise mit einer wichtigen Entwicklung im Leben der Kirche verbunden: mit der neuen Bedeutung der „mittleren Einheiten“ kirchlichen Lebens. Von ihnen soll zunächst die Rede sein; auf diesem Hintergrund gewinnt die Situation, in der heute die Diözesen unseres Landes und das Zentralkomitee gemeinsam stehen und vor gemeinsamen Fragen und Aufgaben stehen, schärfere Konturen.