Das Wort für uns

[121] Spiritualität und Weltdienst

Der Mensch braucht eine Tiefe, in die er aus der Vielfalt alles dessen, was ihn bedrängt, beansprucht, fasziniert, einkehren kann, um sich zu finden, ja, um mehr zu finden als sich selbst. Anders gewendet: er braucht eine Spiritualität. Das Abhaken aller Nummern im Katalog seiner Pflichten, aber auch Ansprüche und Erwartungen ließe ihn orientierungslos, leer, allein.

Christentum kann sich aber nicht in Spiritualität erschöpfen. Wenn sie alles wäre, ja wenn die Transzendenz alles wäre, so bliebe paradoxerweise Christlichkeit ein bloßer Selbstbezug des Menschen. Gott und die Seele, dies ist gewiß einer der legitimen und unaufgebbaren Ansatzpunkte auch fürs Christsein. Aber das andere gehört unabdingbar hinzu: die Welt. Nur ein Christentum, das die Zuwendung zur Welt kennt, kennt Jesus Christus. Nur ein weltzugewandtes Christentum läßt Gott wahrhaft [122] Gott sein, macht ihn nicht nur zum Bezugspunkt des eigenen Ich.

Somit aber hat der Christ je die Spannung auszutragen, die durch die beiden Worte Spiritualität und Weltdienst signalisiert wird. Die Frage ist das Wie der Synthese, der spezifisch christlichen Synthese.

Das Wort, das im Anfang beim Vater war und in alle Ewigkeit im Vater bleibt, ist das Wort, durch das die Welt erschaffen wurde. Mehr noch: Es ist das Wort, das in die Welt hineingestiegen ist und sie nicht, in alle Ewigkeit nicht, hinter sich läßt, sondern sich in ihr Fleisch hineininkarniert, um sich liebend der Welt auszuliefern und liebend die Welt hineinzunehmen ins göttliche Leben. Dieses Wort, mit dem Vater eins im Heiligen Geist und aus dem Heiligen Geist Fleisch geworden aus Maria, der Jungfrau, dieses Wort, das seinen Geist uns schenkt, damit wir „Abba, Vater“, sagen und damit wir Zeugnis geben können für die Welt: es ist die Synthese von Spiritualität und Weltdienst. In dieser Synthese liegen Weltdienst und Spiritualität nicht wie zwei Stücke derselben Sache auseinander, gekittet durch unsere fromme Anstrengung, son- [123]dern beides greift ineinander über, eines treibt das andere aus sich hervor.

Fragen wir uns nun einmal, ob es so etwas wie eine Spiritualität des Weltdienstes gibt, ein Leben aus dem Geist, das als geistlich uns weltlich sein läßt, das aus dem Geist uns so an die Welt verweist, daß wir uns dienend verlieren, ohne aber den Geist zu verlieren.