Kirche und Wirtschaft

[13] Das Urmodell: Dreifaltigkeit

Was das heißt, mag aufs erste befremdlich und beunruhigend sein. Aber ich will Ihnen diese Beunruhigung zumuten, indem ich meine ethische Zielthese beiseite lasse – sie wird sich im nachhinein wie von selber ergeben – und gleich auf die dogmatische Zielthese überspringe: Das dreifaltige Leben Gottes ist das Grundmodell auch der Wirtschaft.

Ich will diese These mit einer bekannten Erzählung erläutern. Es war ein Mensch mit Namen Adam. (Ich rede abgekürzt, nicht vermittelt durch die wichtigen Erkenntnisse der Exegese, die wahr sind, die aber am folgenden nichts ändern). Adam wollte sein wie Gott. Aber es hat nicht geklappt. Und zwar deswegen, weil er dies aus sich selber unmöglich leisten konnte. Noch mehr aber deswegen, weil er sich ein falsches Bild von Gott gemacht hatte. Er hatte nämlich gemeint, Gott sei einer, der alles hat und alles kann, daher an sich selbst genug hat, nicht nötig hat, mit einem anderen zu teilen. Aber Gott ist anders. Er ist gerade nicht die Selbstgenügsamkeit dessen, der sich in sich selber verschließt, sondern er ist der, als welcher er sich in Jesus Christus zeigt: einer, der sich gibt, sich verschenkt, der leidenschaftlich für die anderen da ist und gerade darin seine Seligkeit hat. Denn von allem Anfang an ist er nicht ein einsames Wesen, sondern sich verschenkende, ansprechende und antwortende Freiheit: Dreifaltigkeit. Gottes innerstes Geheimnis heißt nach der Überzeugung des Christen: Gemeinschaft. Gemeinschaft aus radikaler und unbedingter Freiheit. Christliches Sein, Haben, Geben – alles geht nur, indem ich in dieser Polarität von Freiheit, die sich gibt, und Freiheit, die annimmt, innestehe. Gott selber ist Kommunikation, aber eben radikale Kommunikation in radikaler Freiheit.

Wenn nun Gott selber so ist, dann kann Menschsein nur gelingen, wenn wir auch in der Wirtschaft die christliche Alternative zum kollektivistischen System, das im Grunde einsam macht und entfremdet, und zum individualistischen Aneinandervorbei verwirklichen. Füreinander und voneinander leben, sich dem anderen geben und ihn annehmen, vom eigenen Interesse derart ausgehen, daß man zugleich vom Interesse des anderen und des Ganzen ausgeht: Dies ist das innere Lebensgesetz des trinitarischen Geschehens selber und deswegen auch des Menschseins. Jesus, und mit ihm die junge Kirche, stellt uns in der Radikalität seiner Botschaft vor Augen, daß wir nur in dieser Freiheit und Bereitschaft eigentlich leben können.

Von daher heißt Wirtschaft christlich: die Gegebenheiten annehmen und sie zugleich aus Freiheit, nicht aus äußerem Zwang, verwandeln in Kommunikation miteinander, in den Austausch der Interessen, in das Ausgehen zugleich von dir und von mir. Darin geschieht jene vollkommene Einheit, nach der Menschen sich sehnen und [14] in der sich die Einheit der göttlichen Personen spiegelt. Diese Einheit ist alles andere als ein Einerlei. Denn auch das göttliche Leben geschieht nur auf die Weise, daß der eine spricht und der andere antwortet, der eine auf den anderen zugeht und der andere den einen empfängt. Erst durch die Unterscheidung der Funktionen und Positionen kann Einheit, Gemeinschaft wachsen. Genau dies sagt die Dogmatik beider Konfessionen über die Dreifaltigkeit: In ihr kommen höchste Freiheit der Personalität und tiefste Gemeinsamkeit des Füreinander und Miteinander in den Einklang.