Das Wort für uns

[133] Das Reich und der Geist

Das Kreuz ist nicht der einzige Schock, den die Jünger erlitten, die sich auf Jesus einließen und denen er und sein Vater alle Erwartungen und Maßstäbe durch die neue Realität der Herrschaft Gottes umkehrten. Der zweite und nicht minder umwerfende Schock ist der Geist.

Mit der Theologie der Apostelgeschichte gesprochen (vgl. Apg 1): Nachdem das Kreuz seine Klärung in Ostern fand, rechneten die Jünger damit, daß nunmehr das angesagte Reich sich offenbaren und durchsetzen werde: Wann wirst du in dieser Zeit das Reich Israel wieder aufrichten? Der Herr weist diese Frage zurück und legt den Finger auf etwas anderes: auf die Kraft aus der Höhe, die sie ausrüsten wird, damit sie Zeugen in Jerusalem und bis an die Enden der Erde sein können. Die unmittelbare Frucht des Kreuzes ist nicht das Reich, sondern der Geist.

Erst darin kommt die Herrschaft Gottes in ihr Äußerstes, daß nicht nur er alles tut, sondern daß er uns gibt, aus seinem Geist zu leben, daß er uns das Werk überträgt, das sein Sohn getan [134] hat – ja, wir werden noch größere Werke tun als er (vgl. Joh 14,12).

Erst der Geist, jene innerste Ursprünglichkeit Gottes, die den Vater und den Sohn verbindet, vollendet die Logik der Herrschaft Gottes, will sagen: seiner sich entäußernden Liebe, die eben herrscht, indem sie sich gibt. Dieser Geist will inwendiger als unser Innerstes die Kraft sein, die in uns das Wort für die Welt Fleisch werden läßt, so daß es ganz und unverstellt Gottes Wort und zugleich unser Wort, Menschenwort ist.