Dein Herz an Gottes Ohr

[139] Gebet verändert die Welt

„Da hilft nur noch beten ...“, dieses Wort stimmt oft genug. Und wohl uns, wenn wir, statt am Ende unserer Taten zu verzweifeln, den Mut zum Beten fassen.

Und doch ist dieses Wort oft genug ein schlimmes Wort. Beten sollte nicht nur die “ultima ratio“, also der letzte Ausweg sein, sondern die “prima ratio“, also der Anfang, das Erste.

Beten verändert in der Tat die Welt. Und dies aus drei Gründen.

Zuerst: Gott steht nicht nur hinter allen Ursachen, er ist nicht das entfernteste Glied in der Kette des allumfassenden Wirkzusammenhangs. Nein, er ist der Nächste, er ist der Einzige, der immer wirkt. Beten bringt Gott ins Spiel, in jenes Spiel, das er nicht ohne unsere Freiheit spielen will. Aber die größte Freiheit ist die, nicht statt seiner zu spielen, sondern ihn selbst ins Spiel einzuspielen, ihn zu rufen – und er hört.

Sodann: Auch unmittelbar werden die Wirkzusammenhänge innerhalb der Welt anders, wenn sich die Beter mit ihrem Gebet einmischen. Wo die Beter dazwischen sind, da sind andere Orientierungen, da sind andere Maßstäbe, da sind andere Kräfte im Spiel als in der geschlossenen Gesellschaft der Macher. Sodom ist nicht Sodom, wenn zwanzig oder [140] wenigstens zehn oder wenigstens fünf Gerechte in der Stadt leben. Die Beter ziehen sozusagen ins Gewirr der wirkenden Mächte das Gefüge, die Struktur ein, welche das Ganze trägt (vgl. Gen 18,23–33).

Schließlich: Wer in der Wahrheit betet, der wird selber anders – nicht nur in seinem Sein, sondern auch in seinem Wirken. Ich kann nicht im Ernst um Frieden beten – und nichts für den Frieden tun. Ich kann nicht gegen Hunger und Elend beten – und alles auf sich beruhen lassen.

Gebet greift nach Gottes Hand, welche allein die Welt verändert. Im Gebet greift Gott nach unserer Hand, um die Welt zu verändern.