Jugendverbände und Ehrenamt – Die Bedeutung des ehrenamtlichen Engagements in der Kirche und der Beitrag der katholischen Jugendverbände für das Leben der Kirche

[179]

  1. Der Mensch

1.1 Der Mensch ist nicht zum Leben und zur Welt verurteilt.
Der Mensch kann nicht beliebig über das Leben und die Welt verfügen.
Der Mensch ist sich geschenkt. Leben und Welt sind ihm geschenkt. Er ist dazu da, sich zu verschenken.

1.2 Einer ist nicht der Herr oder der Sklave des andern.
Einer ist Geschenk für den andern, beschenkt vom andern.

[180]
1.3 Daß der einzelne und daß die Gemeinschaft Geschenk sind, kommt besonders zur Geltung in freiwillig übernommenen, nicht entlohnten Diensten und Zusammenschlüssen, die aus freier Übereinkunft von Menschen um gemeinsam von ihnen erwählter Ziele und Wege willen entstehen.

  1. Die Kirche

2.1 Gott erschafft den Menschen nicht nur für eine menschliche Erfüllung, sondern er schenkt ihm in freier Zuwendung Lebensgemeinschaft mit sich selbst. Indem Gott seinen Sohn für uns hingibt und uns seinen Geist mitteilt, schenkt er sich selbst dem Menschen. Gott wird zum Geschenk an den Menschen.

2.2 Gott schenkt sich dem Menschen – durch Menschen. Zuerst durch die Menschwerdung seines Sohnes, also durch den einen Menschen Jesus Christus, in dem „Gott mit uns“ ist. Sodann aber auch durch die Menschen, die er ruft und sendet: die Kirche.

2.3 Kirche ist Geschenkt Gottes an die Welt. In ihr schenken Menschen sich ihm, sich einander und sich den andern, und er ist unter ihnen, in ihrer Mitte.

2.4 Es ist der Kirche nicht ins Belieben gestellt, was sie im Namen Gottes der Welt schenkt und wie sie es tut. Von Jesus Christus her ist ihr verbindlich die Heilsbotschaft, der Auftrag, sie allen Menschen weiterzugeben, und auch das geistliche Amt, die Grundstruktur ihrer Verfassung vorgegeben. Die unverfügbaren Vorgaben haben den Sinn, das Geschenk Gottes unverletzt zu wahren, allen weiterzugeben und alle im einen Glauben und in der einen Liebe zu verbinden.

2.5 Diesem Ziel der Kirche entspricht es aber auch, daß es in ihr eine Vielfalt frei übernommener Dienste und freier [181] Zusammenschlüsse gibt. In ihnen bemühen sich Christen, in unterschiedlichen und sich wandelnden Verhältnissen Leben und Welt aus dem Glauben zu gestalten sowie füreinander und für die andern das christliche Zeugnis wirksam werden zu lassen.

  1. Die Jugend

3.1 „Jugend“ ist eine entscheidende Altersstufe des Menschen. Sie bezeichnet jenen Prozeß, in welchem der Mensch das Geschenk des Lebens und der Welt, das Geschenk des Ich und des Du, das Geschenk Gottes und der Kirche unterscheidend zu erkennen, verantwortet anzunehmen, in Freiheit weiterzuschenken lernt.

3.2 Dieser Prozeß geschieht in der Übernahme vorgegebener Verbindungen und Verantwortungen durch den jungen Menschen (z.B. in Elternhaus, Familie, Schule, Gemeinde), aber zugleich im freien Eingehen neuer Verbindungen und Verantwortungen. Durch beides wird er Garant und Träger für die Zukunft seines Lebens und des Lebens der anderen.

3.3 Dabei sind von besonderem Rang wiederum der freie (ehrenamtliche) Dienst und der freie Zusammenschluß.

  1. Die katholischen Jugendverbände

4.1 Ein Verband ist ein freier Zusammenschluß besonderer Art. Er ist nicht eine nur auf wenige und auf kurze Frist hin angelegte Gruppe, sondern offen für viele und offen auf Dauer. In ihm verbinden sich Menschen miteinander, um aufgrund gemeinsamer Entscheidung miteinander Ziele zu verfolgen und Wege zu gehen. Sie binden sich an diese [182] Ziele und Wege, freilich in der Offenheit, sie weiterzuentwickeln und auszugestalten. Ein Verband ist eine freie Gliederung der Gesellschaft; denn die Gesellschaft im ganzen lebt von vielfältigen Gestalten gemeinsamen Erlebens, Verhaltens und Handelns.

4.2 Ein Jugendverband ist ein Verband, der aus jungen Menschen besteht, für junge Menschen da ist und mit ihnen, in ihrem Miteinander, den Weg ins Leben und in die Gesellschaft einübt und so einen Beitrag zur Gestaltung von Leben und Gesellschaft leistet.

4.3 In einem katholischen Jugendverband versuchen junge Menschen, ihr Leben als Geschenk an Gott, an die anderen und an die Welt zu verstehen und auszuprägen. Innerhalb dieses Rahmens liegt eine Vielfalt möglicher Aufgaben und Wege. Eine je besondere Schwerpunktsetzung ist kennzeichnend für den jeweiligen Verband. Katholischen Jugendverbänden gemeinsam ist die Bindung an die Botschaft Jesu Christi, die von der Kirche verkündet wird, an die Sendung der Kirche, an das Leben in der Kirche und mit ihr.

  1. Ehrenamtliche Dienste und katholische Jugendverbände in Kirche und Gesellschaft

5.1 Durch ehrenamtlichen Dienst und in freiem Zusammenschluß der Verbände gewinnt Jugend Wege und Räume, um sich in Kirche und Gesellschaft einzubringen; zugleich gewinnen Kirche und Gesellschaft Wege und Räume, um Jugend wahrzunehmen und ernst zu nehmen, sich auf Jugend einzulassen und Jugend hineinwachsen zu lassen in sich.

5.2 Dem entspricht seitens der Kirche (der Amtsträger wie der Gemeinden) und seitens der Gesellschaft (ihrer verfaß- [183] ten Organe wie ihrer freien Kräfte) die Aufgabe, den Beitrag der Jugend anzunehmen und ernst zu nehmen, sich einzulassen auf Gespräch und Partnerschaft, sich anfragen zu lassen und selber Anfragen zu stellen.

5.3 In einer Zeit, in welcher die Kraft, Zukunft anzunehmen und zu verantworten, durch mannigfache Umstände geschwächt wird, die Hoffnung auf eine erfüllte Zukunft abnimmt, die bloß funktionalen Interessen und Abhängigkeiten anwachsen, sind ehrenamtlicher Dienst und verbandlicher Zusammenschluß junger Menschen von besonderer Bedeutung. Die Weckung der Eigeninitiative, das Interesse an der Zukunft, die Solidarität mit dem Ganzen, das Entwickeln erneuernder Kräfte, die Stärkung der Kommunikation sind gleichermaßen für Gesellschaft wie Kirche bedeutsam.

5.4 Wenn Kirche in unserer Umwelt besonders gefordert ist in ihren beiden Grundaufträgen, der Communio (dem lebendigen Miteinander) und Missio (dem Zeugnis vor der Welt und für die Welt), dann sind ehrenamtlicher Dienst und verbandlicher Zusammenschluß junger Christen ein entscheidender Beitrag zum Eigenen und Eigentlichen der Kirche.