Dein Herz an Gottes Ohr

[144] Das Glas und der Wein

Ein verehrter Meister klagt einem anderen: „Alle halten mich für erfüllt von Gott. Man sucht mich auf, will meinen Rat. In der Tat, es gelingt mir, vielen den Weg zu weisen. Aber wenn ich still vor Gott stehe, dann bin ich ganz arm, und oft finde ich mich beim Beten spröde und leer. Wie kann ich sicher sein, daß ich mich nicht selber und insgeheim so auch die anderen betrüge?“

Der Freund antwortet: „Ein Glas schmeckt nicht den Wein, den es empfängt und den es weitergibt. Ein Glas ,schmeckt' dasselbe, ob es leer ist oder gefüllt. Wir wissen oft nicht, wie es mit uns steht. Aber eines können wir tun: uns dem hinhalten, der den Wein des Lebens ausgießt, uns denen hinhalten, die den Wein des Lebens brauchen. Ob wir Gott lieben, das wissen wir vielleicht nicht. Daß er uns liebt, wissen wir. Und das sollen wir den anderen bezeugen: daß Gott sie liebt, daß sie von seiner Liebe leben können. Wer dies aus ganzem Herzen tut, der lebt selbst von Gottes Liebe.