Josef – Mitspieler mit Gott

[12] Eigentlich ist der heilige Josef ein wahrhaft benediktinischer Heiliger. Er lebt das „et labora“. Ist bei Maria sozusagen die Arbeit und das Werk eingefaltet im Gebet, in der stillen Sammlung, im Bewahren des Wortes, so umgekehrt die Kontemplation bei Josef eingefaltet im stillen Werk, ausgefaltet ins Werk hinaus. Er ist jener, der aus Gehorsam, aus Hören, aus Hinwendung zu Gott, aus jener Gerechtigkeit, die aus dem Wort kommt, der ist, der still und alltäglich das Werk tut und es Gestalt werden läßt in seiner Hände Arbeit. So gehört er zu jenem wunderbaren Doppelspiel der eigenen Berufung hinzu, in welchem „labora“ die Erklärung des „ora“ und „ora“ die Tiefe des „labora“ ist. Wollen wir uns neu durch ihn unserer eigenen Berufung stellen und wollen wir ihn bitten, daß er als Fürsprecher für Gottes Erbarmen uns begleitet.

Es gibt Heilige, von denen wir eigentlich nicht viel wissen – nicht wissen, welchen Charakter sie hatten – nicht wissen, was sie für Werke getan haben – sondern wir wissen nur, daß sie mitgespielt haben, mitgespielt beim großen Spiel Gottes, und sich dem ganz einfach zur Verfügung gestellt haben. Menschen, die eigentlich ihre Aussage gar nicht in sich selber haben, sondern in dem, wofür Gott sie gebraucht hat. Menschen, die beispielsweise Apostel sind, von denen wir noch den Namen wissen und ein kleines Wort vielleicht aus dem Evangelium und irgendeine alte Überlieferung, wie sie das Martyrium erlitten haben. Soundsoviele Märtyrer, von denen wir einfach die Namen haben und sonst nichts, aber sie sind gebraucht worden von Gott für dieses Lebenszeugnis – und dabei auch und zuerst Menschen wie Johannes der Täufer und zumal Josef, Menschen, die einfach von Gott in Dienst genommen worden sind, über denen einfach eine Berufung, eine Rolle stand, die sie auszufüllen hatten im Heilsplan Gottes für uns – und sie haben mitgespielt. Das ist Josef. Und ich meine manchmal, daß wir gerade heute diese Heiligen besonders notwendig haben.

Es ist gar nicht nötig, ihr Leben uns auszumalen. Es ist gar nicht nötig, heimlich doch noch so etwas wie Charakterbilder von ihnen zu entwerfen. Sondern einfach annehmen, daß sie gelebt haben, daß sie zu Dienst waren, daß sie sich gebrauchen ließen, daß sie dort standen als Antwortende und Mitspielende, wo Gottes großes Spiel der Menschheit sie hingestellt hat. Wir wissen, daß es Heilige gibt, große und größte Heilige, die nicht sich selber ausspielen und einbringen konnten, sondern die einfach Gebrauchte waren und Mitspieler; das ist vielleicht etwas ganz Entscheidendes für uns.

Und welches ist das Spiel, in dem der gerechte Josef mitgespielt hat? Wir können das vielleicht an zwei Dingen sehen; wir können es an zwei Grundfunktionen ablesen, die paradox zueinander stehen und die uns doch für unser eigenes Leben etwas zu sagen haben. Nicht Josef hat die große Wahl seines Lebens getroffen, nicht [13] er hat den großen Schritt getan, nicht er hat Gott adoptiert, sondern Gott hat ganz einfach ihn hineinadoptiert in eine Rolle, die ihm eigentlich gar nicht zustand. Er galt als der Vater, der Nährvater, der Pflegevater Jesu. Er mußte etwas sein, was er nicht war. Josef lebte radikal über seine Verhältnisse; er war nicht der Vater Jesu. Aber das tun, was für uns zu groß ist, das sein, was wir von uns aus nicht sind, dort mitspielen, wo Gott uns einfach braucht – und dabei wissen, daß man ganz klein ist – und eigentlich nicht einmal ist, was man ist – das ist jene innerste Demut, die Gott Raum und Platz gibt. In dieser Demut, über die eigenen Verhältnisse zu leben, die eigene Berufung auszuleben und Ja zu sagen zur eigenen Berufung. Auch wenn man immer und immer wieder entdeckt: Eigentlich bin ich ja unendlich häßlich und klein, eigentlich bin ich gar nichts; ich spiele mit, ich bin, was ich nicht bin – ich bin, als was Gott mich ruft – ich lebe aus Gott, nicht aus mir. Das ist die eine Seite: dieses Über-die-Verhältnisse-Leben, dieses Ganz-klein-Sein, dieses Gebrauchtwerden für etwas, was ich nicht bin.

Und die Kehrseite dieser selben Medaille: was Josef anvertraut ist – um was es geht in seinem Leben – was wirklich der Inhalt seines Lebens ist – das ist der Sohn Gottes selbst. Jesus selbst. Was immer uns anvertraut ist: Jesus ist uns anvertraut. Wo immer wir unsere Aufgabe haben, wo immer wir unseren Ruf haben – er ist uns anvertraut. Auch in unserem Haus wohnt er. Auch unsere Arbeit gilt ihm. Auch von unserer Liebe lebt er in den Brüdern und Schwestern. Er ist uns anvertraut. Wo immer wir leben, er ist unser Hausgenosse. Er ist derjenige, dem unser Ruhen und Schlafen und Wachen und Beten gilt; er ist derjenige, dem wir dienen, gerade dort, wo wir dem Geringsten und Kleinsten dienen.

Nicht sein, der wir sind, nicht sein, als den wir uns eigentlich planen und wollen – sondern sein, so wie Gott uns braucht und der sein, als der Gott uns braucht – und doch wissen, daß dabei wir immer für ihn leben, mit ihm leben, – daß er uns anvertraut ist. Und deshalb in dieser innersten Demut, in diesem großen Hören, in diesem selbstverständlichen Dienen, in dieser sich zurücknehmenden Alltäglichkeit einfach mitspielen – mitspielen mit Gott. Wir alle müssen mitspielen mit dieser Gesellschaft, mitspielen mit dem, was als ein heimliches Diktat in dieser Gesellschaft über uns steht und uns vorgegeben ist. – Wir können frei sein, indem wir mitspielen mit ihm –dort, wohin er uns gestellt hat. Mitspieler mit Gott, das ist er heilige Josef.