Vorspiel zur Theologie

[157] Nachwort

Vorspiel zur Theologie heißt dieses Buch. Was ausdrücklich am wenigsten vorkam, war die Theologie. Aber vielleicht ist sie doch drinnen in diesem Vorspiel. Und daß sie drinnen ist, könnte eine der großen Formeln, eines der großen Programme von Theologie erläutern. Wir meinen das Wort des Anselm von Canterbury: fides quaerens intellectum, Glaube, der das Verstehen sucht.

Theologie ist, so sagt die gängige und richtige und unausweichliche Begriffsbestimmung, Glaubenswissenschaft. Sie hat die Offenbarung Gottes in Jesus, sie hat den christlich verstandenen Glauben zur Voraussetzung und zum Gegenstand. Dieser Glaube soll ins Verstehen hinein entfaltet, er soll aber nicht auf bloßes Verstehen reduziert werden.

Einer gewichtigen Vermutung nach liegt jene Interpretation im Sinne Anselms, die seine Formel doppelt auslegt. Die eine Richtung: Der Glaube sucht sein Verstehen, er steigert sich in sich selbst ins Verstehen und erzeugt sich aus sich selbst eine größere Durchsichtigkeit, eine größere Mitteilbarkeit und Plausibilität. Der intellectus fidei, der Begriff, auf den der Glaube sich bringt, wächst aus dem Innern des Glaubens heraus, der [158] Glaube erbildet sich sein Denken. Die andere Richtung: Der Glaube sucht das Verstehen, das der Mensch in den Glauben hinein mitbringt, er übersetzt sich in dieses Verstehen hinein, entlehnt ihm jene Begriffe und Denkmuster, die ihn dem Menschen aufschließen und nahebringen. Der Glaube fordert das menschliche Verstehen ein, nimmt es in Anspruch, bedient sich seiner, inkarniert sich in ihm.

Beide Deutungen haben – der Sache nach – im Grunde nur gemeinsam, nur miteinander ihr Recht. Zwar kann ich nie derart vom bloßen menschlichen Verstehen ausgehen, daß daraus christlicher Glaube als Resultat herauskäme – Glaube ist das aus menschlicher Kraft nicht leistbare Mehr. Und umgekehrt hat der Glaube immer auch zur Voraussetzung, daß ein Mensch, ein denkendes Wesen sich ihm übergibt und somit seine mitgebrachten Denkmöglichkeiten in ihn einbringt. Die zwei Ursprünge – das Licht der Vernunft und das Glaubenslicht – lassen sich nicht ineinander auflösen. Und doch spielt jeder von ihnen das ganze Spiel.

War das nicht auch die Struktur unseres Vorspiels zur Theologie? Wir gingen aus vom Hinblick aufs Phänomen, wir lasen die Spielregeln menschlicher Spiele ab im unmittelbaren Hinblick auf diese selbst. Sie führten uns zur Spitze des Sich-Gebens, und von dieser Spitze aus konnten sie uns zur Matrize werden fürs Verständnis der Offenbarung, des Glaubens. Diese Bewegung von unten nach oben war aber von allem Anfang an unterfangen durch die gegenläufige. Unser Hinblick unmittelbar aufs Phänomen war bereits orientiert an der Erfahrung der Nachfolge Jesu und an dem, was sich in ihr bezeugt: Gott gibt sich uns, Gott spielt in Jesus unser Spiel mit, und wir dürfen in Jesus sein Spiel mitspielen. Der Ausgang von [159] der Nachfolge ließ uns die Möglichkeiten menschlichen Denkens und die Wirklichkeiten menschlicher Daseinsspiele unbefangener, tiefer, neu sehen. Theologie und Philosophie, Denken aus dem Glauben und Denken aus der Unmittelbarkeit menschlichen Fragens und Erfahrens, waren die Spiele auf dem Feld unseres Vorspiels zur Theologie.

Vorspiel nur zur Theologie? Jedenfalls will Theologie hier weiter verstanden werden, als dies gängig geschieht. Es ging uns nicht allein um eine fundamentale Theorie des Glaubens, um ein Verstehen des Glaubens in sich selbst. Es ging uns zugleich um etwas wie eine funktionale Theorie: Wie können wir als Glaubende und zugleich Denkende mit unseren Interessen umgehen? Wie können wir einen Zugang finden zu unserer Verantwortung für den Menschen, für die Welt der Sachen, für die Gesellschaft? Wie können wir die große Tradition und die neuen Ansätze des Denkens in eine Sicht des Ganzen aus dem Glauben integrieren? Wie können wir, dies zumal, vorstoßen zu einem geistlichen und gemeinschaftlichen Vollzug unseres Christseins aus der Mitte der Botschaft, aus dem sich gebenden, dem dreifaltigen Gott?

Alles in allem: Wie kann unser Leben in all seinen Bezügen zum Mitspiel werden mit jenem Spiel Gottes, das uns in Jesus durch seinen Geist eröffnet ist? Und wie können wir das Spiel Gottes selbst zwischen uns, in unserer Welt mitspielen und weiterspielen, damit die Welt glaube?