An Wilhelm Willms, 13. Juni 1992

Klaus Hemmerle
Bischof von Aachen

51oo Aachen, d. 13. 6. 1992

Herrn Pfarrer Wilhelm Willms
Kirchberg 9
5138 Heinsberg

Lieber Mitbruder Willms !

Mitten in den derzeit besonders drängenden und bedrängenden Terminen (die aber immer mit Menschen zu tun haben und so mit dem lieben Gott und deswegen, wenn ich mit rechtem Atem hineingehe, Freiräume sind) habe ich mit viel Bewegung Ihr Kevelaerer Kredo - soll ich sagen: gelesen?, besser: geatmet, getrunken. Es war eine tiefe Begegnung mit Ihnen, aber auch eine tiefe Begegnung mit dem Credo. Eine dreifache Begegnung mit diesem Credo. Zum einen bin ich wirklich dem begegnet, was ich glaube, in seiner die heiligen Formeln ebenso schaffenden wie sprengenden Größe, in seiner durch eigenes Machen und Nachempfinden uneinholbaren Vorgegebenheit, in seiner sich selbst chiffrierenden und versiegelnden Würde. Zugleich bin ich darin begegnet dem, was es in den Urerfahrungen menschlicher Sinne, menschlicher Geschichte, menschlicher Erinnerung und Ahnung an Kontexten, an adventlichen Kongenialitäten gibt. Da ist keine Auflösung in Urgründe und Ungründe unseres Inneren, aber diese Urgründe und Ungründe werden zum Schwingen gebracht vom Ereignis, vom sich zusprechenden Wort. Und schließlich habe ich in diesem Credo die Menschen gefunden, die jetzt sind und wie sie jetzt sind, die Menschen, die - wenigstens vermeintlich - weit weg sind von dem, was dieses Geheimnis sagt und denen es doch mitten in der Seele sitzt. Das Ereignis und sein logos - das unergründlich Untergründige - das Banale, die Oberfläche: alle drei gehören zusammen, und dem bin ich begegnet durch Sie. Danke und herzliche, brüderliche Gemeinschaft!

Ihr
+ Klaus Hemmerle