An alle, die dem Bischof auf seinen Brief an junge Leute hin persönlich geantwortet haben

[217] Liebe Freunde!

Wie in meinem Osterbrief 1981 versprochen, möchte ich von Zeit zu Zeit einen kleinen Impuls geben, der das Netz der Freundschaft mit Jesus weiterknüpft. Ich möchte heute nochmals das „Vaterunser“ aufgreifen. In eine Richtung allerdings, die ich vorher selbst nicht so vermutet hätte. Aber erinnert Ihr Euch vielleicht an meinen Weihnachtsgruß, den ich allen zuschickte? Ich sprach von einem jungen Mann, der mir sagte: „Ich will nicht hier leben, ich will nicht in dieser Welt leben, ich will nicht ich sein!“ Dieser junge Mann ist nicht der einzige geblieben. Ich bin seither vielen begegnet, die ähnlich dachten wie er. Sich selbst, das Leben, unsere Zeit annehmen – das scheint mir ein Grundproblem heute. Und es löst sich, wie ich glaube, nur in der Freundschaft mit dem, der unser Dasein angenommen hat, der nicht umkehrte vor unserer Misere, sondern sagte: „Erst recht, ich will einer von ihnen und mit ihnen sein!“

Vielleicht ist es dringend, daß wir mitunter auch einmal persönlich das „Vaterunser“ der Selbstannahme beten. Und aus der Freundschaft mit Jesus könnte es uns gelingen, nicht nur uns neu anzunehmen, sondern auch anderen jungen Menschen neben uns, die ihre Schwierigkeiten damit haben, helfendes, freundliches Geleit zu geben.

Ich lege Euch einen Vorschlag, einen Versuch bei, wie dieses „Vaterunser der Selbstannahme“ gehen könnte.

Weiter miteinander auf derselben Spur!

[218] Vater unseres Freundes Jesus, Vater unser im Himmel.

Weil dein Name heilig ist, glaube ich, daß auch mein Name dir heilig ist. Ich bin bereit, weil du mich liebst, mich nicht wegzuwerfen, mich nicht zu verachten, sondern ja zu mir zu sagen.

Weil dein Reich kommt, glaube ich, daß auch ich Zukunft habe, daß auch wir Zukunft haben. Ich bin bereit, über Fragen und Ängste hinweg Zukunft zu wagen, Zukunft anzunehmen.

Weil dein Wille gut ist, glaube ich, daß es nicht sinnlos ist, das Gute zu wollen. Ich bin bereit, die Dinge nicht treiben zu lassen, sondern die Schritte zu tun, die deinem Willen entsprechen. Auf dein Wort hin! So kann ich ja sagen auch zu dieser Erde, zu dieser Stunde der Geschichte.

Weil du mir Brot gibst für heute, glaube ich, daß ich mit dem leben kann, was ich habe. Ich bin bereit, mit meinen Möglichkeiten, wie eng und unsicher sie auch sind, dazusein für andere, damit alle dein Brot haben.

Weil du mir vergibst und mich vergeben heißt, glaube ich, daß deine Liebe auch in mir Anklage und Aggression überwinden und verwandeln kann. Ich bin bereit, neu anzufangen.

Weil du in Versuchung und Bedrängnis mich nicht fallenläßt, glaube ich, daß alles gut werden kann. Ich bin bereit, nicht vor den Widerständen zu kapitulieren und nicht zu sagen, es sei unzumutbar, was du mir zumutest. Du in mir kannst, was ich nicht kann.

Weil du Erlösung von allem Bösen verheißt, glaube ich, daß mein winziges Gutsein, mein bescheidener Dienst nicht umsonst sind. Ich bin bereit, Stützpunkt der Hoffnung zu sein für andere.

Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit – ganz groß und klar in Ewigkeit, aber hier und jetzt wirkt deine Kraft in meiner Schwäche. Amen.