Dein Herz an Gottes Ohr

[19] Lieber Gott, wie geht es dir?

Mit hellem Vergnügen erzählte es mir eine befreundete Familie. Sie hatten ihrer kleinen Tochter zu Weihnachten ein Spieltelefon geschenkt. Sie war selig, und wie sie am Heiligen Abend vor dem Zubettgehen sie in ihrem Zimmer überraschten, da saß sie am Telefon und telefonierte mit dem lieben Gott, ihm die Frage stellend: „Lieber Gott, wie geht es dir?“

Hoffentlich sind wir nicht klüger geworden als dieses Kind. Natürlich, Gott hat keine Launen, natürlich, Gott ist nicht unglücklich, es gibt bei ihm nicht Schwankung der Befindlichkeiten, einmal so und einmal anders.

Aber er hat in seinem Sohn ein Herz, ein menschliches Herz angenommen und in diesem Herzen sich selbst, die Liebe, die er ist, hineingehalten in alle Schicksale und Wandlungen menschlichen Lebens. Alles, schlechterdings alles geht ihm zu Herzen. Was immer uns begegnet, wir begegnen etwas, das Gott zu Herzen geht. Wo immer wir sind, wir finden das Herz Gottes, das sicher immer die Initiative ergreift, das allem zuvorkommt mit seiner Liebe – aber eben mit seiner Liebe, die trägt, annimmt, schon mitgelitten hat und doch in diesem Mitleiden in universaler Gleichzeitigkeit jetzt „da“ ist, wo wir sind.

„Immer und überall ist deine Wunde da, immer [20] und überall ist deine Liebe bis zum Tod, ja bis zur Gottverlassenheit da, alles ist drinnen, alles ist gegenwärtig in dir, und du selbst bist darin gegenwärtig.“

Wenn Franz von Assisi ausruft: „Wehe, die Liebe wird nicht geliebt!“, dann hat er eben eine Antwort in seiner konkreten Situation auf die Frage des Kindes erfahren, wie es Gott geht.

Manche recht gefühligen Äußerungen einer Frömmigkeit, die dem Rechnung zu tragen sucht, kommen uns zu aufdringlich oder zu rührend vor. Müßten wir indessen nicht eine neue Sensibilität dafür erlernen, daß Gott sich freut über den Sünder, der umkehrt, daß er selber der erste ist, der froh ist mit den Frohen und weint mit den Weinenden? Müßten wir nicht wach in die Situationen unserer Welt und unseres Lebens hineingehen und sensibel dafür werden, wie es in ihnen Gott ergeht?

„Herr, ich will dich verstehen, Herr, ich will mich mit dir freuen und mit dir leiden, Herr, ich will mit dir und für dich wach sein, wohin immer mein Weg mich führt.“

Die Kinderfrage: „Lieber Gott, wie geht es dir?“ könnte so eine Leit-Frage werden für unser beständiges Gebet, für unser Leben in der ständigen Gegenwart Gottes, für ein Leben, das von uns her Mitleben mit Gott und von ihm her in uns universales, offenes, mitleidendes und mitwirkendes Leben für die Welt und mit den anderen wird.