Das Wort für uns

[25] Suche nach dem Wort

Menschliches Leben ist Suche nach dem Wort. Nicht nach den vielen Worten, die uns verwirren wie die Angebote auf dem Markt, von denen jedes sich selber anpreist, und wir greifen ein bißchen doch nur auf gut Glück zu, weil wir nicht so genau zu unterscheiden vermögen. Nein, wir suchen das eine Wort, jenes Wort, das alles sammelt und klärt, das allem seinen einen, bergenden Sinn zuspricht, das uns Orientierung, Halt und Richtung verleiht. Ein Wort, das den Zusammenhang stiftet, den wir so oft vermissen zwischen den hundert Rollen, die wir zu spielen haben, den hundert Erfahrungen, die wir zu bewältigen haben, den hundert Ansprüchen, die auf uns einstürmen.

Doch wenn wir das Wort suchen, so suchen wir im Grunde noch mehr. Es genügt uns nicht, daß wir eine Betriebsanweisung zur Hand haben, wie man mit dieser Welt und mit diesem Leben umgehen kann. Es genügt uns nicht, daß wir hinter die Kulissen schauen und wissen, wie das Ganze abläuft. Bescheidwissen ist uns zu wenig. Wir suchen das Wort, das heißt doch: ein [26] Wort, das uns anredet, ein Wort, das uns meint, ein Wort, in dem wir selber drinnen sind.

Dieses Wort könnte uns selber wieder aus unserer Sprachlosigkeit befreien, dieses Wort könnte uns selber wieder zum Reden bringen, zu jenem Reden, das kein bloßes Gerede ist, zu jenem Reden, in dem wir ich und du zu sagen vermögen, jene beiden Worte, die wie leere Hülsen geworden sind, nicht mehr enthaltend, was sie meinen.

Und gerade bei dieser Suche nach dem Wort stoßen wir auf Jesus. Hier haben wir einen gefunden, der den Namen verdient: das Wort. Er hat unsere sprachlosen Erfahrungen hell gemacht, hat uns gelehrt, „Abba, lieber Vater“ zu sagen, auch wo wir ratlos und verständnislos vor den Rätseln und Dunkelheiten des Daseins stehen. Er hat uns gelehrt, Brüder zu sehen, wo wir Rivalen oder Fremde sahen, die uns nichts angehen. Er hat uns Worte geschenkt, die Leben in sich bergen, er hat Taten gewirkt, die den Anfang eines ewigen Lebens, eines Lebens ohne Grenze hineinsprechen in unser Vergehen.