Denken der Grenze – Grenze des Denkens
[27] Exkurs 1: Wort als Grenze*
Dies ist hier nur thetisch hingestellt, ausgeführt werden kann es in unserem Zusammenhang nicht. Aber einige Hinweise seien angefügt. Einmal ist jedes Wort ein Dieses. Gerade am einzelnen Wort läßt sich das hören oder sehen, am einzelnen Wort, das ins Schweigen gesprochen oder auf eine leere Seite geschrieben ist. Es bricht das Schweigen, es hebt die Leere auf. Aber es bricht eben das Schweigen und hebt die Leere auf, scheidet sich also vom Ungesagten und Ungeschriebenen, vom Nicht. Das Schweigen oder die Leere erschienen ohne ihre Begrenzung durch das auftauchende Wort überhaupt nicht, erst indem das Wort Schweigen und Leere begrenzt, sind sie als solche da; sie sind nur im Dieses des Wortes da. Natürlich könnte man sagen, daß dies von jedem einzelnen Seienden gilt und nicht allein vom Wort. Aber im Wort wird etwas so deutlich wie in nichts anderem: das Und. Das einzelne Wort läßt die Frage aufkommen: „Und nun?“ „Und weiter?“ Es drängt in einen Kontext, der im Grunde ohne Ende, der universal ist, in das Sprechen überhaupt, in das Verstehen und Fragen und Weitersagen ohne Grenze. Auch hier könnte man zurücktragen, ob nicht Seiendes als solches diese Bewegung auslöst. Und man muß grundsätzlich mit Ja antworten. Aber im Wort lichtet sich diese Beziehung, im Wort verlautet sie, wird sie faßbar, steigt sie über das Unfaßliche und Schwebende in die Entschiedenheit empor. Wort ist die Grenze, durch welche Seiendes als Grenze begrenzt wird und also zu sich selber kommt.
Noch elementarer zeigen sich dieselben Verhältnisse in der inneren Dynamik des Wortes. Wie auch immer, jedes Wort ist Verweis. Es zeigt hin auf „Dieses“, zumindest auf den, der da spricht und durch sein Wort auf sich hinweist. Indem aber je Dieses sich eröffnet, erfolgt zugleich Zuspitzung, Abhebung, Distinktion. Das Wort sagt dieses – und nicht jenes. Sprechen und entsprechend jedes Wort leben von der Abhebung, davon, daß es nicht einerlei ist, was man sagt. Sicher gibt es das muntere und tonlose Plaudern, das heiter geschwätzige Lallen des Kindes, die leicht hinfließende, nicht am Thema orientierte Konversation, den unartikulierten Schrei. Aber auch diese Weisen von Sprechen wären nicht Sprechen ohne die Unterscheidung, Abhebung. Das Wort, das auf dieses und nicht jenes weist, konzentriert auf sich selbst. Es ruft so aber den Partner zu sich her. Das Und der Beziehung, des Mit, der communio erwacht, die grundsätzlich ohne Grenzen ist. Hinweis, Herruf aus dem Nicht und Anders, also zum Hören, und Ansprache auf Antwort und Gespräch hin, Dieses, Nicht und Und also, machen die Dynamik des Wortes überhaupt aus.Noch in einer dritten Dimension ließen sich dieselben Momente entfalten: in der Beziehung zwischen dem Wort und dem, wovon es spricht.
Im Wort geht etwas auf als Dieses. Darin aber nimmt das Wort sich zurück, wird es das bloße Medium, das Nicht dieses Aufgangs. Doch so ist das Wort zugleich nicht Nichts, sondern das Und der Entsprechung. Im Wort grenzen der Sprechende und seine Sache aneinander, unterscheiden sie sich und einen sich, und dies gerade aufgrund jener Dynamik, in welcher der Sprechende von sich weg- und zugeht auf je Dieses.
Wie angeführt, sind dies nur grobe und schematische Vorbemerkungen zu einer Phänomenologie von Wort als Grenze. Entscheidend in unserem Zusammenhang ist: Indem Seiendes ist, hat es den Charakter von Grenze, der sich im Wort enthüllt, der sich aber unserem Wort nicht erst verdankt, sondern Wort an unser Schweigen, Wort daraufhin ist, daß wir das Wort finden.