Und das Wort ist Kind geworden

[35] Damit Gott nicht erfriert

Wie ich den Kindern von St. Martin erzähle,
der seinen Mantel teilt
und die Hälfte einem nackten Bettler gibt,
unterbricht mich ein Zuruf:
„Der Bettler, das war Gott!“
Eine zweite Stimme:
„Das hat Martin gut gemacht.“
Ich frage: „Wieso?“
und erhalte die Antwort:
„Sonst wäre Gott erfroren.“
Teilen, damit Gott nicht unter uns erfriert.

Will nicht diese Martinsgeschichte
unsere Weihnachtsgeschichte werden?
Dann wird der Block unserer fertigen Urteile,
der Block unserer behäbigen Ansprüche,
der Block unseres von sich selbst ummauerten Ich,
der Block unseres sich selbst genügenden Wir
aufgesprengt, geteilt.
Und nur so wird die Mitte frei,
damit das Kind Platz hat unter uns.1


  1. Weihnachtsgruß 1988. ↩︎