Meßansprache zum Gedenkgottesdienst der Aktivitas für Ehrenphilister Prof. Dr. Theodor Müncker

[1] Wir können uns die Messe gewiß nicht göttlich genug, wir können sie uns aber auch nicht menschlich genug vorstellen. Sie ist Erfüllung des Auftrags Jesu: „Tut dies zu Meinem Andenken!“, Gemeinschaft mit ihm, in die Er selbst als der in Seinem Abschied Bleibende, in seinem Tod Lebendige eintritt. Denn Er „ist“ Sein Sterben, sein sich verschenkendes Dasein für die Vielen. Diese Vielen, die Brüder, für die Er sich dahingegeben hat, gehören zu Ihm hinzu – und sie gehören mit hinein in die Messe. Sie ist Gemeinschaft in Jesus mit den Brüdern. Und wie Er bei uns bleibt, so bleiben sie über ihren Tod hinaus verbunden mit uns, gegenwärtig bei uns mit Ihm. Und dies zumal, da das Geheimnis des Christen Christus, das Geheimnis christ- [2] lichen Lebens der Tod Christi und das Geheimnis christlichen Sterbens sein Leben ist. Dasein für viele, Hingabe des eigenen Selbst als „Brot“, von dem die anderen leben, das ist Christsein und ist Priestersein.

So ist es würdig und recht, ganz menschlich in einem Wort zur Meßfeier dessen zu gedenken, der nun von uns gegangen ist, unseres lieben Ehrenphilisters Professor Müncker. Und je menschlicher wir seiner gedenken, desto tiefer wird sein Eigenes, sein Charakter, sein Tun und Leben unter uns sich eintragen in das eben angedeutete Geheimnis Christi selbst.

Es wäre gewiß geziemend, zunächst den Bavaren Müncker uns vor Augen zu stellen, das fast unermeßlich Viele, das er für Bavaria getan, und die Treue zu rühmen, mit welcher er am Geschick Bavariae teilgenommen hat. Und doch würden wir so ihm selbst nicht ganz gerecht. Denn dieses Viele war einfach ein ständig gegenwärtiges, ständig sich weggebendes Bereitsein, das nicht den Betrieb einer Verbindung um seiner selbst willen beheizt und so sich vereinshaft verengt hätte. Nein, gerade dadurch hat er Bavaria gedient, daß es ihm schlicht um die menschliche Gemeinschaft, um ihre Lebendigkeit und Offenheit und um ihren inneren Ursprung aus der Gemeinschaft mit dem Herrn ging. Die Güte und Heiterkeit, mit der er „darüber“ stand und so ans Ganze dachte, die Selbstverständlichkeit, mit der er da war und sich selbst nicht wichtig nahm, das Verständnis für den Wandel der Formel und Generationen – aus einer tiefen Ehrfurcht vor echter Tradition heraus –, das waren doch die kostbaren Züge des Bavaren Müncker.

Nahtlos eins mit diesem Bild des Bavaren und Menschen – denn seine bavarischen Eigenschaften sind mehr als das, sie sind menschliche Größe und Weite überhaupt – ist das Bild des Wissenschaftlers. Auch hier kommt es wiederum nicht darauf an, alle seine Werke, Gedanken und Einflüsse zu würdigen. Es soll nur erwähnt werden, daß die katholische Sittenlehre von heute ihm Entscheidendes verdankt. Er erkannte die Bedeutung der psychischen Voraussetzungen und Begrenzungen sittlich verantwortlichen Handelns und führte ihre Berücksichtigung in die katholische Moraltheologie ein. Dieser geistige Durchbruch „passt“ genau zu seiner Persönlichkeit: auch in der Theorie verfolgte er das Anliegen, den Menschen zu sehen, ihm gerecht zu werden, die Theologie zum Schnitt zu bringen mit der gesamtmenschlichen Wirklichkeit. Und das Theologische selbst erfuhr in seinen Bemühungen, die er in schöner Gemeinschaft vor allem mit Fritz Tillmann und Theodor Steinbüchel vorantrieb, eine „menschliche“ Erweiterung und Erneuerung: dieser Kreis versuchte die Begründung christlicher Moral nicht aus abstrakten Prinzipien, sondern aus dem lebendigen der Nachfolge Christi. Der Mensch selbst sollte in seiner Verbindung und Einheit mit Christus selbst gesehen und zu ihr geführt werden.

Diese ehrwürdige und richtungsweisende Leistung liegt bereits Jahrzehnte zurück. Sie ist das bleibende Wort des Theologen Müncker. Der Lehrer Müncker erschöpft sich indessen nicht in dem, was er der Wissenschaft selbsttätig geschenkt hat. Er sah in erstaunlicher Offenheit über sich selbst hinaus, sah das Weitere und Neuere, das andere als er fanden und erarbeiteten. Und er wies auf diese anderen hin, in neidloser Freude, führte ihnen sogar Schüler zu, die er gerne als die seinen gebucht hatte, denn er suchte nicht sich, sondern die bestmögliche Entwicklung der Begabungen im bestmöglichen Dienst am Ganzen. Gerne bezeichnete er sich als „Theodor im Fußballtor“, der das Stürmen den anderen überläßt, aber ihnen dazu beisteht mit seiner Erfahrung und seiner Freundschaft. Eine seltene Große, die wahrhaft Anteil am Geheimnis dessen bedeutet, der Diener aller war und ihnen die Füße wusch.

Braucht man noch eigens vom Christen und Priester Müncker zu sprechen? Ist nicht im Menschen und Wissenschaftler auch der Christ und Priester bereits enthalten und vorgestellt? Auf eines freilich soll in diesem Zusammenhang noch die Rede kommen. Müncker hatte viele Freunde, aber er hatte nicht nur Freunde. Das ist nicht allen bekannt – und eben das muß erwähnt werden. Manche verstanden oder schätzten seinen wissenschaftlichen Standpunkt nicht. Gegen solche – teilweise verletzende – Ablehnung war er keineswegs unempfindlich. Aber er begegnete ihr in stiller, großzügiger Bescheidung, die Gleiches nicht mit Gleichem vergalt – und war so gerade fähig, Brücken zu schlagen.

Es ist in der Tat würdig und recht, unseren väterlichen Freund in der göttlich-menschlichen Gemeinschaft der Messe gegenwärtig zu halen und ihn hineinzunehmen ins heilige Gedenken an Den, der Hingabe, Freundschaft, Dienst für die Vielen und so der Herr und Bruder des Menschen „ist“. Ober den Dank und die im Herzen und Leben gehaltene Treue hinaus wollen wir aber auch das Gebet für den Heimgegangenen nicht vergessen. Er soll seinem Herrn, seinem Richter und Retter nicht begegnen ohne das liebende Geleit derer, die kraft seiner Liebe zu ihm gehörten und gehören.