Weihnachtsgruß 1984

Große Hagia Sophia

Instanbul ein Betlehem?
Der Monumentalbau eine Krippe?

Heiliger Ort, wo Jesu Jünger sich trennten –

und schon sind schier tausend Jahre    
darüber vergangen.    

Heiliger Ort, wo Christus nicht das letzte Wort behielt –

größere Lettern künden andere Botschaft    
als die seine.    

Heiliger Ort, wo Fremde kommen und gehen,

denen der Christus wie der Prophet Fremde    
geworden sind.

       Doch aus der Höhe der Apsis    
      schaut im leuchtenden Mosaik    
      Maria    
      schweigend uns an    
      hält das Kind hin.    

Friede den Fernen, Friede den Nahen –
Ehre dem Fernen, der so nahe ist.

 

Kleine Hagia Sophia

Wir wollen die Kirche besuchen,
die fast drei Jahrhunderte im voraus
den Traum des Aachener Domes träumte,

den Traum vom himmlischen Jerusalem.

Die Kirche verschlossen, der Muezzin weggegangen.

Ein kleiner Junge bringt ihn herbei.

Wie wir den himmlisch irdischen Raum

der Moschee gewordenen Kirche verlassen,    
wartet vor der Tür der Junge.    
Er hat für jeden von uns eine Blume gepflückt.    

Wo ist der Himmel? Drinnen oder draußen?

Ich wünsche uns das Kind,

das uns den Schlüssel für drinnen    
und die Blume für draußen schenkt.    

Ich wünsche uns das Kind,

daß wir den Himmel finden    
und den Himmel geben.