Priesterweihe 1984 im Karmel Wegberg

Lieber Peter, liebe Mitbrüder, liebe Schwestern und Brüder, liebe Eltern und Angehörige!

Es sind viele, die in dieser Stunde innerlich das Magnifikat anstimmen, den Preisgesang Mariens, den wir eben im Evangelium hörten: „Hoch preiset meine Seele den Herrn.“ Und es gibt viel, viel Grund dazu.

Und eigentlich wird unser Bruder Peter deswegen zum Priester geweiht, dass von jetzt an durch ihn, durch das, was Gott an ihm Großes tut, viele dieses Magnifikat singen können.

Wo einer da ist, der priesterlichen Dienst tut, der nicht selber groß ist, sondern Gott allein groß sein lässt durch sein Kleinsein, wo einer sich in Anspruch nehmen lässt für die Sendung von ihm, so dass Gott in ihm wirken kann und weiterschenken kann, da ist ein Potential von Vertrauen, ein Potential von Zukunft. Denn immer wieder stoßen wir daran, dass wir aus uns am Ende sind, dass wir aus uns nicht wissen, wie es weitergeht, dass wir aus uns resignieren wollen und rechnen wollen: geht es weiter, geht es nicht.
Aber wo er der Herr der Zukunft ist, wo er sich hinein gibt in einen Menschen, wo er sagt: „Du, mit denen Händen sollst du mich weitergeben!“, da ist eben unverbrauchte Zukunft, da ist unzerstörbare Zuversicht, da ist ein Potential an Zukunft, das Menschen nicht verbrauchen können.
Das geschieht in dieser Stunde. Und deswegen können wir alle mit Maria anstimmen: „Hoch preise meine Seele den Herrn, denn er hat auf unsere Niedrigkeit geschaut, auf die Niedrigkeit und Kleinheit eines Menschen und er hat Großes an ihm getan. Hungrige werden satt werden, Kleine werden erhoben werden.“

Ich denke indessen, dass es drei gibt, die im Himmel, die in jener umfassenden Gemeinschaft des Glaubens, in der wir stehen, heute besonders kräftig mit uns das Magnificat mitsingen werden. Und ich möchte auf die drei schauen und an diesen dreien Ihnen etwas erklären, von dem, was ich meine, was in dieser Stunde passiert.

Ich glaube, dass sich besonders herzlich und froh an diesem Magnificat beteiligen wird der Prophet Elija, der, auf den geistig die Gemeinschaft der Karmeliter sich zurück bezieht. Denn genau die Geschichte, die wir in der ersten Lesung gehört haben, das ist sozusagen die Wiege des Karmel. Ich werde es Ihnen gleich erklären.

Die zweite, die besonders jubeln wird, aus ganz ähnlichen Gründen übrigens wie Elija, ist Maria selber, die als erste das Magnifikat angestimmt hat.

Und dann ist es noch, wie könnte es anders sein, der Namenspatron von Bruder Peter, es ist der heilige Petrus.

Bleiben wir zuerst einmal bei Elija. Ich darf Ihnen die Geschichte noch einmal kurz in Erinnerung bringen, die wir eben gehört haben. Es war eine unglaubliche Dürre, das ganze Land war am Verdursten und nichts mehr wuchs und geschah. Der Gottesprophet Elija hatte es auszuhalten und durchzustehen. Er hat diese Dürre als Zeichen dessen, dass die Menschen sich von Gott abgewandt haben, gedeutet. Er wurde verfolgt, aber Gott hat ihn bestellt, dass doch durch ihn Heil und Segen wird. Und er stieg dann zum Berg Karmel empor, der in der Nähe des Meeres lag. Er betete, bis dann die Wolke hervortrat, zuerst winzig und klein und dann riesengroß über das Land kam und neu Gottes Segen gab.

Liebe Schwestern und Brüder! Ein großer Durst ist im Land, eine große Trockenheit ist in den Herzen, ein großes, ratloses Ausschauhalten nach den verschlossenen Quellen, die uns äußerlich nicht mehr zu fließen drohen, die uns weggenommen zu werden drohen durch Raubbau und was weiß ich, was Menschen Böses tun. Aber die auch innerlich nicht mehr fließen, weil die Hoffnung, weil die Zukunft, weil die Zuversicht, gerade auch bei vielen jungen Menschen, fehlt.
Ein großer Durst ist im Land. Es muss Menschen geben, die diesen Durst in sich selber als den Durst nach dem lebendigen Gott aushalten, für die anderen und so die Wolke Gottes, die Wolke des Lebens, herbeiziehen, aus dem Meer. Das ist der heimliche Hindergrund, warum gerade die Berufung der betenden Orden, der kontemplativen Orden, der beschaulichen Orden, derer, die sich einfach hinhalten in den Abgrund des göttlichen Erbarmens als Ausdruck der dürstenden Menschheit, warum die so bedeutsam sind.
Das, was damals Elija getan hat, das, worauf sich der Karmeliterorden bezieht, das ist unsere Wirklichkeit, das ist unsere Gegenwart, das ist unser Leben, dieser große Durst, dieses große Nicht-mehr-können und Nicht-mehr-wissen. Und wenn da Menschen scheinbar nichts tun, wenn sie beten, wenn sie ihr ganzes Dasein hinein verzehren und hinein vergraben in dieses Kauern des Elija auf dem Berg Karmel, um zu beten, dann tun sie das Entscheidende: Sie sind Ausdruck der Not der Menschheit, der Armut der Menschheit aus sich und zugleich ihre Ordnung, die Gott allein ist.

Wenn nun einer, der so sein Leben in die Betrachtung, die Beschauung, in die Gemeinschaft dieses Durstes nach Gott hinein gibt, Priester wird, dann geht mit ihm die Wolke Gottes auf, die Segen spendet und die Regen spendet, Lebenskräfte in Gottes Wort und Gottes Sakrament, aus denen sich Zukunft gestalten lässt.

Lieber Peter, sie sind jetzt Elija und die Wolke in einem. Das heißt es, wenn Sie zum Priester geweiht werden. Und deswegen stimmt Elija das Loblied an.

Aber was in Elija noch angedeutet war, das erhält Vollgestalt in Maria. Maria war nicht Priester. Maria war nicht Bischof. Maria hatte kein Amt. Aber Maria war der Durst der ganzen Menschheit, der sich hineinhält in Gott. Und sie hat dieses Nein der Angst und Verweigerung, das viele sprechen, in das Ja der Annahme hineinverwandelt. Sie hat sich als der Ausdruck der Menschheit hingehalten und hat diese Menschheit zum Ja werden lassen. Und so hat sie selber von unten her, von innen her, in ihrem Schoß, in ihrem Herzen, Jesus weitergegeben.

Ich glaube, es ist wichtig, dass wir es sehen, auch für unseren lieben Neupriester. Seine erste, wichtigste Berufung: die Mariens, die des geistlichen Lebens, die, nicht was er aus Vollmacht und Amt kann, sondern was er aus der Berufung seines Herzens tut, wie Maria, dass er sich hinhält wie Maria, und von innen her Christus in seinem Leben Gestalt werden lässt. Und nur, wenn er das tut, wird das, was er amtlich tut, nicht Anmaßung, nicht irgend bloß eine Funktion, sondern ein lebendiges Zeugnis. Die Gültigkeit dessen, was er tun wird als Priester, hängt nicht von seiner Würdigkeit ab. Auch der Priester, der scheitert und versagt, ist Zeichen dessen, dass Gott ihn sendet. Aber lebendig und wirksam wird dieses nur, was Gott in seiner Sendung tut, wenn es mit einem Herzen Mariens, mit einem betenden, liebenden Herzen, wenn es mit einem Ja getan wird. Das Ja Gottes, lieber Peter, dass Sie jetzt immer und jeden Tag neu, in der Zelebration der heiligen Messe, im Verkünden des Wortes Gottes, in allem, was Sie tun, ausrichten, dies Ja Gottes, dessen Zeuge Sie sind, das soll Ihr Ja werden, Ihr Ja sein und bleiben, das Sie mit dem Herzen Mariens sprechen. Die Berufung ist nur da in der Demut, in der Innerlichkeit, in der Verborgenheit Mariens, nur darauf kommt es an.

Aber dann ist eben doch auch dieser Petrus ganz entscheidend und wichtig. Und warum, das möchte ich an einer sehr leisen, aber sehr persönlichen Geschichte erzählen:
Wenn ich mich frage, wo ich während der letzten Jahre vielleicht am tiefsten habe beten können, dann war das in einer kleinen Kirche des heiligen Petrus im Wallis.
Ich denke an diese Stunde noch immer sehr zurück. Eine sehr alte, verborgene Kirche aus dem 11., 12. Jahrhundert. Da steigt man von der Straße ein paar Stufen hinunter und ist in einem ganz dunklen, stillen, rätselhaften Raum. Aber wenn man dann durch diesen alten Raum vortritt, dann kommt man vorbei an einer Marien-Ikone, vor der viele Kerzen brennen. Dahinter steht der Altar mit dem Tabernakel. Und hinter dem Altar leuchtet ein Glasfenster auf, das sozusagen die einzige Lichtquelle im Chor ist: der heilige Petrus.

Was hat mich dabei berührt? Ich habe gedacht, du, Bischof Klaus, stehst auf zwei Seiten des Altares. Du stehst hier wie Maria, die empfängt, die still ist, die betet und die aus ihrem Herzen Jesus zu geben versucht. Und du stehst zugleich auf der anderen Seite des Altares, wie dieser Petrus, den der Herr gesendet hat, dem der Herr sein Wort und seinen Leib anvertraut hat, damit er in seiner Sendung, in seiner Vollmacht, diesen Leib gibt. Es ist etwas Wunderbares, nicht nur auf der Seite Mariens zu stehen, nicht nur in dieser Verborgenheit und Stille, die das Allerwichtigste ist, ihn zu lieben, ihn zu geben, sondern zugleich auf der anderen Seite des Altares, mit dem Gesicht zum Volke Gottes, der ganzen Welt hingewandt, nicht nur Ausdruck der Welt zu Gott hin, sondern von Jesus her gesandt, zur ganzen Welt, zu den Menschen hin und zu sagen: „Seht, da ist er! Seht da, da ist euer Herr! Seht da, das bin ich!“ Und ich war sehr, sehr froh über diese meine doppelte Berufung in jener Stunde. Ich dachte, ich möchte immer nur kauern vor diesem Altar, wie Maria. Ich möchte zu ihm hingehen und ich möchte Ausdruck der anderen sein. Und ich möchte zugleich mich nehmen lassen und senden lassen als Ausdruck dieser apostolischen Sendung, um ihn hinauszutragen und ihn weiterzugeben.

Dieses Stehen auf beiden Seiten des Altares, das ist jetzt die Wirklichkeit. Jetzt ist er hier. Jetzt ist er an der Stelle Mariens. Er kommt. Er ist wie Sie. Er ist einer von uns. Er kommt und bringt Sie und sich hin, wirft Sie und sich auf den Boden nachher. Er ist Maria. Und dann nimmt ihn der Herr und stellt ihn auf die andere Seite. Und er wird zum ersten Mal sprechen: „Nehmet, esset, das ist mein Leib.“ Er auf beiden Seiten.

Lieber Peter, ich wünsche ganz einfach, dass Sie immer Elija seien, der dem Durst der Menschheit nachgeht, der die Wolke Gottes wohltuend herabzieht. Ich wünsche, dass Sie immer Maria seien, einfach, das kleine Nichts, das sich, der Welt zugewandt, schenkt. Ich wünsche, dass Sie immer Peter seien, Petrus, der den Herrn bezeugt und weitergibt. Amen.