Die Kirchlichkeit des Glaubens und der Theologie

[457] Die Fragestellung

Im Namen der Kirche hört man oft genug darauf hinweisen, daß ein Glaube, der sich von der kirchlichen Bindung emanzipiert, in selbstmächtige Subjektivität zu verfallen drohe, und hört man des weiteren, daß die Theologie in Gefahr sei, die schlichte Ursprünglichkeit des Glaubens in pure Vernünftigkeit aufzulösen und sich kirchenkritisch als neues, eigenmächtiges Lehramt aufzuspielen. Von seiten der Theologie wird, nicht weniger temperamentvoll, das Gegenteilige immer wieder behauptet: Vieles, was sich als „gesunder Glaube“ aufspiele, sei traditionell verfestigtes Vorurteil, der Glaube müsse durch wissenschaftliche Reflexion seiner Quellen neu zu sich selbst befreit werden, und dies gerade gegen ein oft genug nur sich selbst und die genannten Vorurteile zementierendes kirchliches Amt. Unter Berufung auf den Glauben wiederum werden vielfach Klagen laut, daß einerseits die Kirche, daß andererseits die Theologie mehr Hindernis des Glaubens als klärende Hilfe zum Glauben seien. Das Schwierige dabei: Eine „neutrale“ Schiedsstelle in diesem Streit anzurufen geht nicht an, denn Neutralität wird von den Parteien in dieser Sache konsequenterweise als Inkompetenz abqualifiziert. Gerade darin liegt aber ein möglicherweise gemeinsamer Punkt, jedenfalls einer, von dem aus sich grundsätzlich die ganze Polemik entwirren läßt. Denn bei näherer Klärung der Ansprüche von Glauben, Kirche und Theologie wird offenbar, daß jeder dieser drei „Ausgangspunkte“ von innen her auf die anderen verwiesen ist, und zwar unter dem führenden Anspruch des Glaubens, will sagen der Offenbarung Gottes, die im Glauben als Offenbarung zur Gegebenheit für den Menschen kommt.

Daß dem so ist, soll im folgenden aufgezeigt werden. Doch aufgezeigt von welchem Standpunkt aus? Das angedeutete Ergeb- [458] nis einmal vorweggenommen, läßt sich sagen: von allen drei Standpunkten aus. Wenn nämlich Glaube, Kirche und Theologie einander implizieren, dann wird eine Option für die eine gegen die anderen Größen letztlich sinnlos.

Dennoch bleibt die Frage nach dem methodischen Ansatz unseres Vorgehens. Es ist doch wohl problematisch, einen Gedanken nur von seinem angezielten Ende her zu rechtfertigen, er muß sich Rechenschaft geben, womit er anfängt und warum er gerade so anfängt. Unser Beitrag soll ein fundamentaltheologischer sein. Fundamentaltheologie treibt aber, abgekürzt gesagt, Theologie auf eine vortheologische Weise, die freilich vom Inneren der Theologie her zu dieser hinzugehört. Das heißt: Fundamentaltheologie führt das Gespräch der Theologie mit dem, was „außerhalb“ der Theologie, aber zugleich in Beziehung zu ihr steht. Sie muß somit den theologischen Ansatz von innen nach außen, aber auch außertheologische Ansätze von innen her zur Theologie hin durchsichtig machen, um das je Verbindende und je andere deutlich werden zu lassen. Wenn solches „Innen“ und „Außen“ in unserem Fall auch problematische Kategorien sind, so haben sie doch ihr relatives Recht von der eingangs skizzierten, zwar zu überholenden, aber gerade darum ernst zu nehmenden Streitlage her.

Damit ist nicht nur die Methode, sondern auch der Inhalt nachfolgender Reflexion vorgezeichnet, teils explizit, teils implizit: Es geht um die Zusammengehörigkeit von Innen und Außen in Glaube, Kirche und Theologie, darum also, wie die eigene Sache von Glaube, Kirche und Theologie Kommunikation mit dem Außen einschließt, nicht nur gegenseitige Kommunikation, sondern gemeinsame Kommunikation mit einem ihnen gemeinsamen Außen, deutlicher gesagt: es geht darum, wie im Glauben ein Verstehen und eine Wirklichkeit, die nicht allein durch den Glauben zur Gegebenheit kommen, eine Rolle spielen und wie sich dies auf Wesen und Auftrag von Kirche und Theologie je auswirkt. Dieses Verhältnis von Innen und Außen, so wird sich zeigen, ist mehr als nur ein zufälliger oder gar zusätzlicher Aspekt zur Sache von Glaube, Kirche und Theologie, sondern ihre eine Sache selbst.

Nachdem also die gegenseitige Zuordnung von Glaube, Kirche und Theologie zur Sprache gekommen ist, muß diese Zuordnung [459] sich an der einen, gemeinsamen Sache dieser drei Instanzen ausdrücklich bewähren.