Vorspiel zur Theologie

[5] Vorwort

Wenn Glaube und Theologie beziehungslos neben dem Leben und der Erfahrung stehen, dann verlieren sie nicht nur ihre prägende Macht, sondern auch ihre Glaubwürdigkeit. Gerade das fällt uns heute indessen schwer: die Verbindung, die Synthese, die Einheit zu finden. Natürlich fangen Glaube und Theologie nicht mit irgendwelchen äußeren Voraussetzungen an, sondern mit sich selbst – wie auch Liebe, personale Beziehung nur mit sich selber, nur von innen her anfängt. Und doch hat jede Liebe, jede personale Beziehung ihre „Vorgeschichte“. Wenn der Blitz zündet, wird klar, daß die Landschaft dieses Lebens auf dieses Licht sozusagen gewartet hat. Und das stimmt auch dann, wenn vorher niemand daran denken konnte, daß alles auf diese Begegnung, auf diese Beziehung hinauslaufen sollte. Nur wenn Leben, Welt und Denken als die Landschaft erfahrbar sind, in welche der Glaube sein Licht hineinwirft, nur wenn Leben, Welt und Denken also die bleibende Vorgeschichte in der Geschichte des Glaubens sind, erhalten Glaube und Theologie ihre vollen Dimensionen.

Um solche Vorgeschichte des Glaubens, um solche Landschaft, in welcher er verstehbar und vollziehbar [6] wird, geht es in den folgenden Überlegungen. Sie wollen die Einsicht in ein Zusammengehören erschließen: ins Zusammengehören des Glaubens und des menschlichen Daseins mit seinen Erfahrungen und Interessen – ins Zusammengehören der Theologie als Denken aus dem Glauben und der Philosophie als Denken aus dem Ansatz unmittelbar menschlichen Fragens – ins Zusammengehören schließlich eines gegenwärtigen Zugangs des Denkens zum Glauben und der großen Gestalten und Formeln der Tradition. Der Standort ist die philosophische Reflexion alltäglicher, jedem zugänglicher Erfahrung. Aus ihr eröffnet sich sodann die Perspektive auf die Botschaft des Evangeliums.

Erwachsen ist dieses Bändchen aus Vorlesungen, die im Wintersemester 1974/75 an der Universität Freiburg für die Studienanfänger gehalten wurden.

Aachen, im Juni 1976

Klaus Hemmerle