Sprechen von Gott

[51] Dritte These:

Schweigen vor Gott ist Ort des Sprechens zu Gott, des Sprechens Gottes zu uns und des Sprechens von Gott.

Reden von und Schweigen von Gott haben zur Voraussetzung das Schweigen vor Gott, jene Position meines Daseins also, die gerichtet ist auf …, die gegenüber ist zu …, die aber ihr Gerichtet- und Gegenübersein gerade nicht festhält, sondern lautere Offenheit, lauteres Schweigen und darin Hörenkönnen bedeutet.

Stillwerden im Nullpunkt meiner selbst vor ihm ist die einzige Situation, in der Anrede an Gott möglich wird. Anrede, die nicht nur Stilmittel ist, um eigene Wünsche und Bedürfnisse zu artikulieren. Wenn ich so still bin, daß darin auch meine Fragen, Vor-urteile, Vorstellungen still sind, dann bleibt Gott nicht nur der imaginäre Beantworter oder Nichtbeantworter meiner Notrufe, die ich aus der Zelle meines Daseins heraussende, eingeengt in mein Kreisen um mich selbst. Wenn ich aus dem Schweigen rufe, rufe ich wirklich mich selbst über mich hinaus und von mir weg. Meine Not und meine Erfahrung sind zwar drinnen in diesem Rufen, aber dieses Rufen ruft sie aus, indem es sie und mich hinausruft über mich. Nur aus solcher Stille heraus enthält mein Wort an Gott mich selbst und kommt es zugleich von mir los.

Aber auch nur in diesem Schweigen vor Gott kann letztlich ein Wort, das mich erreicht, eine Erfahrung, die mich streift, ein Ereignis, das mich betroffen macht, ein Licht, das mich und meine Welt mir neu aufgehen läßt, mir die Gewißheit geben: er spricht. Nur dort, wo ich mich lasse, kann Gott sich mir lassen. Und nur dann, wenn aus solchem gegenseitigen Sich-Lassen ich zu Wort komme vor ihm und er redet zu mir, kann ein Reden von ihm, von ihm als Gott, Sinn, Grund und Recht haben.