Dein Herz an Gottes Ohr

[60] Gebet ist Gesang

„Ja, so heißt es!“ Das muß man sagen können, wenn man sich die Interpretation eines Musikstücks allein oder mit anderen erarbeitet hat. Eine innere Stimmigkeit muß erreicht sein, die Schlacken wollen weggebrannt, die Details ans Licht gehoben, die Vielheit in den einen Guß und Klang und Bogen geschmolzen sein. Alles gilt es einzusetzen – aber das ist noch nicht alles. Das eigene Tun muß sich loslassen an das Werk, an seine eigene Gunst, an seinen eigenen, je unerhörten Klang. Neues muß sich schenken können. Dieses Neue läßt sich nicht zwingen – und doch „braucht“ sein Geschenk, daß der Musizierende alles, sich selbst geschenkt hat.

Solch äußerstes Maß ist die Beunruhigung, die insgeheim das Musizieren spannt und erregt, quält und beseligt zugleich. Und solches Maß der Musik spannt und erregt, „quält“ und beseligt auch das Betenwollen: Menschen setzen das Letzte ein, damit Musik erklingt und gelingt – und es ist gut so. Aber warum gebe ich nicht genauso das Letzte drein, wenn ich mein Leben Ihm sage, warum singe ich mein Leben nicht Ihm? Ist mein Gebet die Musik meines Lebens, ist es jener Gesang, der, auch wenn ich nicht singe, einstimmen kann in den Chor der Engel? Singe dich, singe Ihn, laß dich singen von Ihm in dir, der sich über dir sucht! Das ist Gebet.