Und das Wort ist Kind geworden

[61] Adam, wo bist du?

Der fordernde und richtende Ruf Gottes „Adam, wo bist du?“ ist nicht Gottes letztes Wort. Seit Weihnachten hat dieses Wort einen anderen Klang: Gott ruft den Menschen nicht aus der Ferne, sondern Gott geht ihm nach, Gott sucht ihn dort, wo er ist, Gott sucht und findet ihn in sich selbst. Er ist Mensch geworden. Er weiß, wie wir sind, er kennt wie keiner die Abgründe unseres Herzens und die Konsequenzen unserer Bosheit. Aber er kehrt nicht um vor uns, resigniert nicht an uns, sondern er wird, was wir sind. Er nimmt alles von uns, auch das Schrecklichste, in sich hinein und leidet es in sich selber aus, heilt es in jener Liebe, die uns bis zum Äußersten begleitet. Wenn heute Gott ruft, uns ruft und fragt: „Adam, wo bist du?“, dann weist er uns hin auf den neuen Adam, auf seinen eigenen, für uns menschgewordenen Sohn. In ihm finden wir uns, in ihm finden wir ihn, in ihm finden wir die Hoffnung, die uns nichts und niemand nehmen kann, den neuen Anfang, der nie am Ende ist. In dieser Gewissheit dürfen wir den Mut zum Menschen, den Mut zu uns selber, den Mut zu unserer Zeit bewahren.1


  1. Weihnachtsbrief an die Priester 1972. ↩︎