Dein Herz an Gottes Ohr

[61] Beten heißt: kämpfen

I

Jakob kämpft mit dem Engel (vgl. Gen 32,23–33). Er ringt mit Gott, er läßt ihn nicht, bis er ihn gesegnet hat – und trägt aus dieser Begegnung die Wunde davon.

Jede Begegnung ist erst dann gut, wenn wir uns segnen lassen und wenn wir uns verletzen lassen. Am meisten gilt das vom Gebet. Gib dich deinem Gott so ganz und so ehrlich, daß du weißt: Er „leidet“ an dir. Und laß ihn ein in dich, so ganz und so ehrlich, daß er dir weh tut. Dann wird sein Segen groß sein.

II

Beten heißt: kämpfen, das gilt für die Psalmen, auch – und gerade – die Fluchpsalmen.

Gott ist groß, Gott hat immer recht. Ergib dich ihm. Aber: Ergib dich ihm.

Bring dich so offen, so ganz mit zu ihm, hinein in ihn wie die Beter der Psalmen.

Sicher, in ihm muß das umgeschmolzen werden, was die Psalmen an Affekt, an Angst, an Zorn, an Ungeläutertem aus den Herzen des Menschen ins Herz Gottes schleudern. Aber gerade das bezwingt [62] Gott: dein Sein-vor-ihm-wie-du-bist. So kann er sich dir schenken mit seinem Sein-wie-er-ist. Und eben das verwundet und segnet dich.

III

Gebet kennt noch einen anderen Kampf: ringen um sich, ringen um die andern, daß Gott in ihnen mächtig sei. Ringen mit Gott, daß Er sich nicht entziehe, Ringen mit dem Herzen, daß es sich nicht entziehe. „Es grüßt euch euer Epaphras, der Knecht Christi Jesu. Immer kämpft er für euch im Gebet, daß ihr vollkommen werdet und ganz durchdrungen seid vom Willen Gottes“ (Kol 4,12).