Die Ironie Gottes

[37] Etwas über die Kirche heute zu sagen ist einerseits beglückend und andererseits schwer. Schwer deswegen, weil die Kirche nicht nur von den anderen draußen, sondern auch von uns selbst immer wieder so schwer zu verstehen ist. Ich erinnere mich gut an eine Erfahrung, die mir das besonders deutlich machte. Es war während einer Sessio des II. Vatikanischen Konzils, als mein Bischof die katholischen Geistlichen unserer Stadt zu einem gemeinsamen Gottesdienst mit ihm in den Dom einlud. Wir mußten mit Chorrock feierlich und würdig im Altarraum Platz nehmen, und unsere Blicke trafen sich, denn die Bänke stehen gegeneinander. Normalerweise ist man ja davor verschont, einander sehen zu müssen, aber hier waren wir einmal einander konfrontiert. Ich muß gestehen, als ich diese sehr unterschiedlichen Leute sah, da überkam mich ein leises Grauen, und ich sagte mir: „Um Himmels willen, aus dieser Portion Menschheit, diesem sonderbar zusammengewürfelten Gefüge, soll Gott etwas fertigbringen können? Wenn ich da an irgend jemand denke, der auf der Straße draußen läuft und dem es nicht einfällt, in solch einen Gottesdienst zu kommen, dann habe ich es leichter, mich mit dem zu verstehen, als hier mit diesen sonderbaren „Confratres“ neben mir. Wie sollen wir unter einen Hut [38] kommen, wie sollen wir die Stelle des Wirkens Gottes in der Welt sein?“