Das Wort für uns

[81] Beten können

Vielleicht ist das Beten kein Problem für uns. Wir haben es als Kind gelernt und sind hineingewachsen in seine Wirklichkeit. Es hat die Stationen unseres Lebens begleitet, hat sich in seiner Gestalt und in seiner Blickrichtung zwar dem Verlauf unserer persönlichen Lebensgeschichte angepaßt, aber seine Mitte, das lebendige Du-Sagen zu Gott, im Vertrauen, daß er uns hört, das ist geblieben. Vielleicht haben wir das Beten auch erst allmählich in einer notvollen Geschichte mit den Ausweglosigkeiten menschlichen Daseins gelernt, aber nun hat es seinen tiefen und nicht wegzudenkenden Sitz in unserem Leben. Vielleicht auch hat eine große, schmerzliche oder beglückende Erfahrung, eine Begegnung, ein das Ganze umwendender Augenblick uns den Horizont des Gebetes aufgerissen, der [82] nun zum Horizont unseres eigenen Lebens, zu seiner Öffnung und Freiheit über sich hinaus, geworden ist.