Franz von Baaders philosophischer Gedanke der Schöpfung
[86] Urdualismus Ursache – Grund
Die Zweiheit Ursache – Grund, Aufbruch – Fassung ist für Baader keiner Rückführung auf ein früheres Prinzip der Dynamik des Geschehens fähig. Er konstruiert diesen Zweischritt nicht, sondern gewahrt ihn unmittelbar als die Zwiefältigkeit des Seins: Sein als Geschehen – Sein als Bestehen, Sein als Ereignis – Sein als Gestalt. Beides liegt aber nicht verhältnislos nebeneinander, sondern ist selbst als bezüglich, unterschieden und eins hineingefügt in den einen Gang, also doch: ins eine Geschehen des Seins. Baader achtet auf den „Lebensprozeß, den wir in unserem tiefsten und stillsten Denken inne werden, indem wir nämlich immer nur aus einer auf gehobenen Fassung (Wort, Namen) ein Sehen oder Gesicht im Geiste sich uns entwickeln und darstellen sehen, so wie diese auf gehobene Fassung sich wieder zur Fassung aufheben“1. Um seinen Gedanken „zu Stande“ zu bringen, muß das Denken in Fluß kommen; es kommt aber nur in Fluß, wenn es ein Festes, einen Ansatzpunkt faßt, von dem aus er seine Bewegung entfaltet. Das „Festgestellte“ aber, in welches die denkende Bewegung sich als in ihr Ergebnis je wieder einführt, bleibt dem Denken nur lebendig und gegenwärtig, wenn das Denken das Gedachte, die fertige Formel je noch einmal aufhebt und verbirgt in die geschehende Bewegung seiner selbst, seines Verstehens hinein.
„In jenen Urbegriffen der Ursache und des Grundes ist uns sohin allerdings bereits ein Urdualismus gegeben, ohne den wir freilich nichts zu erklären vermöchten, weil dieser Urdualismus unseren innersten Hervorbringungs-, d. i. unseren erklärenden Denkprozeß selbst leitet, und welcher folglich selbst ewig unerklärbar bleibt.“2
Jeder Rückstieg „hinter“ diesen Urdualismus bediente sich seiner bereits, jeder denkende Akt findet sich in ihm, ist ins aufbrechend-fassende Geschehen des Seins schon je einbegriffen. Der erste Zuspruch an mich lichtet sich als jener, der mich ins Sein stellt, mich im Sein verwahrt, mich im Sein also „gründet“ – und darin doch macht, daß ich „bin“, seiend von mir ausgehe, Sein vollbringe. Beides ist angeschaut und vollzogen im Sein überhaupt und auf jede Weise.
Allerdings fügt Baader seiner Feststellung des „Urdualismus“ Ursache – Grund sogleich einschränkend bei: „. . . ob wir schon die Subordination nicht verkennen dürfen, welche in und mit jenem Urdualismus bereits auch gegeben ist und womit also jener Dualismus als koordinierter sich bereits aufgehoben zeigt“3. Wohl kann weder die Ursache ohne den Grund, der Ausgang ohne das fassende Verharren noch die Fassung ohne das sich in ihr fassende und aus ihr wieder ereignende Geschehen des Ursprungs verstanden werden; dennoch ist der gesamte Sinn des Vollzuges das Sich Vollbringen der Ursache durch den Grund hindurch. Wenn die „Fassung“ in sich selbst bleibt, sich selbst faßt, so faßt sie nichts, sie faßt wesenhaft ihr Anderes; Wort als bloßer Lautbestand, Fixierung ohne Differenz zu [87] dem, was sich in ihr feststellt, sind nichtig. Nichtig freilich ist auch das zerfließende Geschehen. Das Geschehen muß sich fassen, aber es faßt eben sich, die Ursache, der Ursprung faßt sich – und so wird die „Subjektion“^[44] des Grundes unter die Ursache als die Lösung des Dualismus offenbar. Die Ursache hat ihren Grund nur, wenn sie ihn in der Gewalt hat. Sie bedarf seiner, doch seiner als eines beherrschten Grundes, um sich im Sein oder Wirken geltend zu machen.
Baader nimmt das Wort „Grund“ dicht beim Phänomen, dem die Sprache es entlehnt: Grund ist das Tragende, für den Stand seines Getragenen also entscheidend, und ist doch das Unten, das seinem Getragenen Unterworfene, Dienende.
Der Grund ist als Fassung des Worum-willen gerade nicht in sich dieses Worum-willen, sondern seine Vermittlung. Er ist als Grund um so vollkommener, je weniger er an sich selbst hervortritt, je mehr er der wirkenden Ursache und somit zugleich dem von ihr Erwirkten nur dient. Für Baader wird daher zum Symbol des Grundes die Mütterlichkeit: Grund ist „bärhaft“4. Wie der Vater nur durch die Mutter sich im Sohne findet und die Mutter doch aufgeht im doppelt-einen Dasein für Vater und Sohn, nicht in sich selbst, sondern in ihnen als das ist, was sie ist, so verhält es sich auch mit dem Grund5. Jener Vollzug des Seins ist der schlechthin gelungene, in welchem das Seinkönnen des Seienden verschwiegen, aufgezehrt und so doch enthalten ist im einfältigen Da dessen, was ist. Jene Rede geht am besten, der die Worte „von selbst“ fließen, ohne an sich selbst hervorzutreten, da sie nichts sind als Durchgabe, Gegenwart des Gesagten und dessen, der sich in ihm sagt.
Baader weist hin auf die Pflanze, die nur ist aus der Wurzel, aus der Wurzel aber nur, wenn diese „im Grunde“, d.h. im dienend verborgenen Verbande mit ihr bleibt; Entblößung der Wurzel läßt die Pflanze absterben6. Er begreift so jede „Manifestation“ aus der dienenden Vermittlung einer „Okkultation“ und sieht dem „Offenbarsein“ je eine „Latenz“ unterstellt7. Alle „Enthüllung“ ist durch eine „Einhüllung“ bedingt; „positive Einhüllung, Fassung oder Gründung . . . bezeichnen denselben Begriff“8. „Im Grunde bleiben“ oder „halten“ bedeutet soviel wie im verborgenen bleiben oder halten9.
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FC 4,16 II 305. ↩︎
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Ethik V 11. ↩︎
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Ebd. ↩︎
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Siehe z. B. SpD 5,2 IX 170 mit Anm. 2. ↩︎
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Vgl. Ethik V 12 f. mit Anm. 2. ↩︎
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Vgl. V 287; XVI 95 „Beichte“. ↩︎
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Siehe z.B. FC 6,6 II 402; FC 6,8 II 403; Anth IV 227; V 271 f., 287; Segen 2 VII 104; SpD 1,8 VIII 76,79; X 184 Anm.; MM 16 XIII 227; XIV 470. ↩︎
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MM 7 XIII 188. ↩︎
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Hegel IX 304 Anm. 1. ↩︎