Das Wort für uns

[91] Sein Geist betet in uns

Vielleicht geht uns das alles ein bißchen zu rasch. Vielleicht denken wir: Das mag theologisch richtig sein, aber es holt uns nicht dort ab, wo wir in unserer Not ums Beten, in unserer Fremdheit gegenüber dem Beten stehen. Aber was uns in dieser Not „abholt“, ist nicht ein Gedanke, sondern der, der in uns betet. Und für ihn können wir uns, sozusagen im Sprung, öffnen. Nicht etwas bewerkstelligend, sondern uns einfach überlassend.

Vielleicht ist es einmal gut, nichts anderes zu wollen, als still zu werden. Wir werden dann erst merken, wie viele Stromstöße von Gedanken, Eindrücken, Vorstellungen durch uns hindurchgehen. Wir sind wie in einer Flut, die uns andauernd von uns selbst wegschwemmt, nicht zu uns kommen läßt.

Für das Beten ist es nun nicht einmal entscheidend, daß wir diese absolute Stille erreichen. Es kann sogar „richtig“ sein, wenn es uns trotz allen Bemühens nicht gelingt. Denn das können wir erkennen: In diesem undeutlichen und unbewältigbaren Strom bin doch ich selber, ich, der [92] mir Gegebene und Aufgegebene, ich, der sich selbst immer wieder Entrinnende. Und dann dürfen wir uns sagen: Nicht ich vermag mich, nicht ich kenne mich, nicht ich habe mich, aber du, tiefer innen als mein Inwendigstes, du kennst mich und durchschaust mich, weißt um mich und bejahst mich, sagst Du zu mir.

Und nun will ich nichts anderes als eben dies: ich will es gelten lassen, ich will es wichtiger und größer sein lassen als all mein eigenes Wollen, Mögen, Vermögen und Nichtvermögen, wichtiger und wirklicher als mich selbst, daß du ja zu mir sagst. Dieses dein Ja, Gott, füllt mich aus bis an den Rand meines Daseins, den ich nicht fasse und nicht kenne; in diesem Ja bin ich bei mir. Aber dein Ja bleibt nicht am Rand meines eigenen Daseins stehen, sondern es geht weiter, darüber hinaus, zu den anderen, zu allen.

Und da nimmt dieses dein Ja mich mit, weg von mir, über mich hinaus. So bin ich mit dir und in dir einer, der betet, und in diesem Gebet sind die anderen, ist die Welt. Dieses Gebet ist nicht zu Ende, wenn ich nachher wieder an meine Aufgaben, wieder zu meinen Nächsten gehe. Dieses Gebet gibt Leben und ist Leben, und [93] es wird aus dem Leben immer wieder zurückschlagen wollen in die Sammlung, die mich daran erinnert, daß du es bist, der in mir, inwendiger als ich in mir, ja sagt zu mir und zur Welt. Der Weg der Sammlung wird dann auch zum Weg der Versammlung werden können, zum Weg einer Sammlung, die ich nicht nur allein und privat für mich suche: Ich werde erkennen und erfahren, daß andere dazu gehören, genauso ohnmächtig, so vorläufig, so beschränkt wie ich, andere, die aber wie ich und mit mir glauben, daß du ja zu ihnen und ja zur Welt sagst. Und so sind wir die Gemeinde deines Sohnes, die Gemeinde Jesu, der dieses lebendige Ja ist, das du uns schenkst, dein Wort, in dem du uns allen dich selbst, in dem du uns, einem jeden, sich selbst, in dem du uns einander, in dem du uns die Welt schenkst. Sein Geist ist es, der in uns betet.