Sprechen von Gott
Achte These:
Reden von Gott kann Gott nur auf die Weise des Zeugnisses zur Sprache bringen.
Schweigen von Gott als Zeugnis von ihm hat seinen innersten Grund freilich nicht darin, daß unter gewissen Umständen das Wort von Gott direkt nicht verstanden wird, sondern darin, daß Gott sein Wort nur selbst so zu sagen vermag, daß es im Menschen das bewirkt, was der Mensch nicht bewirken kann. Gerade aus diesem Grunde aber kann auch das Wort des Menschen Zeugnis für Gottes Sprechen sein; denn Gottes Wort ist nicht nur im Schweigen, sondern auch im Wort des Menschen mächtiger als der Mensch und sein Wort.
Das heißt aber: Wo das Sprechen des Menschen der Weg seines Sprechens von Gott ist, dort muß dieses Sprechen von der Art sein, daß in ihm Gott mehr zu sagen hat als der Mensch. Diese allein dem Sich-Sagen Gottes angemessene Weise zu sprechen ist das Zeugnis.
Bezeugendes Sprechen zeigt, auf eine knappe Formel gebracht, folgende Struktur: Es ist gesteigertes Sprechen, will sagen Sprechen, mit dem der Sprechende sich ganz identifiziert, hinter dem er mit seinem Leben verbürgt. Es ist zugleich aber ein Sprechen, in dem er sich selbst zurücknimmt – so sehr, daß sein Sprechen sagt: nicht nur ich sage das, sondern die Wahrheit selbst! Gerade dies aber, daß im Ursprung seines Sprechens die es schlechthin übersteigende Ursprünglichkeit von Wahrheit selbst sich zu Wort meldet, ist der eine Grund, der die Rede des Zeugen steigert, ihn selbst steigert und ihn doch zurücktreten und verschwinden läßt vor dem einzig Wichtigen und Führenden, dem Zeugnis selbst, [58] dem Sich-zur-Sprache-Bringen der Wahrheit. Das in der äußersten Demut und im äußersten Gehorsam, zugleich aber im höchsten Anspruch und in der unüberbietbaren Vollmacht gesprochene Wort Jesu legt diese Struktur des Zeugnisses am klarsten aus; erinnert sei an die johanneische Reflexion dieses Zeugnischarakters, etwa im Wort Jesu: „Meine Lehre ist nicht die meine, sondern die Lehre dessen, der mich gesandt hat.“ (Joh 7, 16)
Gegen die aufgestellte Forderung, Sprechen von Gott müsse bezeugendes Sprechen sein, erhebt sich eine Frage: Ist nur engagiertes, leidenschaftliches Sprechen von Gott seiner Sache gemäß? Ist das schlichte Ausrichten einer Botschaft, die im Moment des Sprechens den Sprechenden nicht in der erfahrbaren Intensität seines Selbstseins steigert, ist das ruhig argumentierende Sprechen von Gott ausgeschlossen? Die Struktur des Zeugnisses ist indessen gerade auch dort gewahrt, wo der Zeuge sich um des Bezeugten willen zurückstellt und seinen Dienst als einen – freilich innersten, also ihn selbst enthaltenden – Gehorsam gegen das sendende, auf seine Ausrichtung drängende Wort Gottes vollzieht. Und zum anderen geht es dem Zeugen, indem es ihm allein um das ihm zu Bezeugende geht, doch darum, daß dieses zu Bezeugende geglaubt wird, daß es als Wahrheit aufgeht auch für andere. Aus dieser Orientierung des Zeugnisses auf Kommunikation zu rührt es aber her, daß das Zeugnis sich selbst in die vielfältigen Weisen des Sprechens und Denkens übersetzt, die zum Menschsein gehören, wofern diese Weisen nur offen sind, den Anspruch und Zuspruch des sich gebenden Gottes in sich einzulassen. Die Mahnung des 1. Petrusbriefes an die Gläubigen, jedem, der danach fragt, Rechenschaft zu geben über die Hoffnung, die in ihnen ist, weist in diese Richtung (vgl. 1 Petr 3, 15).