Überlegungen zur Bildung der Räte des Laienapostolats

Allgemeine theologische Begründung

  1. Hierarchische Verfassung und gesellschaftliche Wirklichkeit des einen Gottesvolkes

Das II. Vaticanum sieht die Kirche als das eine Volk Gottes, das die Träger des hierarchischen Amtes ebenso wie die Laien [28] umfasst (Lumen Gentium Kap. 2). Weshalb bindet Gott den Weg zur Durchführung seines Heilsratschlusses für die Welt an dieses Volk Gottes? Das Konzil sieht den Grund darin, dass es Gott gefallen habe, „die Menschen nicht einzeln, unabhängig von aller wechselseitigen Verbindung, zu heiligen und zu retten“ (a.a.O. Nr. 9). Die Berufung zum Volk Gottes ist demnach Berufung zu einer gegenseitigen Beziehung seiner Glieder, die für ihr Heil und das Heil der Welt von Belang ist. Inhalt dieser gegenseitigen Beziehung ist sinngemäß also alles, was Gott an Gnadengaben dem Einzelnen für andere und durch andere schenkt.

Die Weitergabe der Heilsbotschaft und der Sakramente und die Ausübung von Weisungs- und Ordnungsfunktionen im Volke Gottes aus dem Auftrag Christi sind entscheidende Elemente der Kirche. Und doch beschränkt sich die wechselseitige Beziehung, die das Volk Gottes zum Volke macht, nicht auf die Beziehung zwischen hierarchischen Amtsträgern und denen, die ihrer Jurisdiktion unterstellt sind (vgl. a.a.O. Nr. 13, 1 Petr 4,10). Die Vielgestaltigkeit der gegenseitigen Verschränkungen und Zuordnungen im Leben des Gottesvolkes wird in den Konzilstexten allenthalben deutlich und durch den Rückgriff auf Schrift und Väterstellen reich belegt (bes. Lumen Gentium Kap 2 und 4).

Aus diesem Sachverhalt ergibt sich, dass für die Kirche analog zu einem staatlich und gesellschaftlich verfassten Volksganzen eine doppelte, aufeinander freilich gegenseitig bezogene Ordnung des gemeinschaftlichen Lebens existiert: Zum einen ist die Kirche durch das von Christus gestiftete hierarchische Amt verfasst, und diese Verfassung entzieht sich der menschlichen Manipulierbarkeit. Diese göttlichen Rechtes gesetzte hierarchische Verfassung der Kirche, das hierarchische Amt selbst und seine Jurisdiktionsgewalt haben indessen eine zweifache Blickrichtung: 1. auf einen stiftenden Ursprung, Christus selbst, 2. auch auf das Leben des Gottesvolkes hin. Neben der hierarchischen Ordnung und auf sie hin bildet so zum anderen die gesellschaftliche Wirklichkeit des Volke Gottes eine eigene Dimension im Leben der Kirche; sie geht so wenig in der hierarchischen Ordnung allein auf und ist so sehr doch in ihr [29] erst im Vollsinn der Kirche integriert wie die Gesellschaft im Staat, Der parallele, die hier zwischen dem Verhältnis des Staates zur Gesellschaft und dem des Hierarchischen zum Gesellschaftlichen in der Kirche gezogen wird, eignet freilich, wie bereits angedeutet, nur ein analoger Charakter. Der Inhalt des Lebens des Gottesvolkes ist nämlich nicht, wie bei Gesellschaft und Staat, ein bonum commune, das mit Hilfe der bloßen Vernunft erkannt werden könnte. Aus dieser Erkennbarkeit durch die bloße und allgemeine Vernunft folgt ja eine prinzipiell gleiche Stellung der Regierenden und Regierten dem bonum commune gegenüber. Das „bonum commune“ des Gottesvolkes hingegen ist der Heilswille Gottes der sich ausdrückt in seiner Offenbarung. Sie bestimmt den Inhalt des Lebens des Gottesvolkes. Sie ist zwar durch das Licht des Glaubens auch allen Gliedern des Gottesvolkes zugänglich; doch sino, kraft der Offenbarung selbst, die Amtsträger in die Vollmacht eingesetzt, die Offenbarung verbindlich auszulegen und das Volk Gottes kraft ihrer besonderen und unverfügbaren Sendung zu leiten, so dass die allgemeine Zugänglichkeit der Offenbarung durch den Glauben die Differenz der Stellung der Amtsträger für den Glauben und für das Leben aus dem Glauben nicht aus-, sondern einschließt.

Trotz dieses Unterschiedes ist jedoch die Funktion des Amtes nicht das erschöpfende Lebensprinzip der gesellschaftlichen Verbundenheit des Gottesvolkes. So bleibt die Analogie zwischen den Verhältnis des Staates zur Gesellschaft und den des hierarchischen Amtes zum gesellschaftlichen Leben des Gottesvolkes zu Recht bestehen.

Der Sinn staatlicher Gewalt und Ordnung ruht im freien und aufs Gemeinwohl hingeordneten Leben der Gesellschaft, nicht aber in einer radikalen Verstaatlichung der Gesellschaft. Die Gesellschaft hat, von daher notwendig, ihre eigenen, das Gesellschaftliche im Rahmen der staatlichen Ordnung selbsttätig entfaltenden Organe. Zugleich hat sie Organe, die das Leben der Gesellschaft in die staatlichen Ordnung hinein vermitteln und für sie greifbar und nutzbar machen. Entsprechendes ist auch im Leben des Volkes Gottes angemessen: Die hierarchische Struktur der Kirche schließt den freien Raum nicht aus, sondern [30] ein, in welchem sich das gesellschaftliche Leben des Volkes Gottes entfalten kann. Des weiteren sind Kontaktstellen bzw. „Kontaktgremien“ zu wünschen, in welchen die gemeinsame Verantwortung des Amtes und des gesamten Volkes an der Sendung der Kirche und der je andere Anteil an dieser Sendung ungetrennt und unvermischt zum Ausdruck kommen.

Hier ist der Ort, an welchem die genannten „Räte“ einzuordnen sind. Es versteht sich, dass sie aus einem Kirchenrecht, das die gemäße Ordnung der Kirche ausschließlich vom hierarchischen Amt her betrachtet, noch nicht zu deduzieren sind. Ihre Notwendigkeit drängt sich erst auf, wenn das Ineinanderspiel der hierarchischen und gesellschaftlichen Strukturen des einen Volkes Gottes in den Blick tritt.

Dass die Achtsamkeit auf das genannte Ineinanderspiel von Hierarchischem und Gesellschaftlichem in der Kirche und dass die Bildung eigener Organe für dieses Gesellschaftliche und seine Kooperation mit dem hierarchischen Element erst heute statthaben, ist nicht zu verwundern; denn wo die Gesellschaft überschaubar und so der Autorität unmittelbar präsent ist, braucht es kaum dieser vermittelnden Organe; an ihrer Stelle steht die spontane Wirklichkeit und Wirksamkeit des Gesellschaftlichen in der es verfassenden Ordnung. Wo aber die Verflochtenheit der Gesellschaft auf der einen und die Großräumigkeit ihrer Lebenseinheiten auf der anderen Seite zunehmen, kann auf vermittelnde und repräsentierende Organe und auf die feste Gliederung der verschiedenen Funktionen nicht mehr verzichtet werden.

  1. „Hierarchische“ und „charismatische“ Strukturelemente im Gottesvolk

Der Hinweis des Konzils auf die „gegenseitige Verbundenheit“, in welcher der heilsgeschichtliche Sinn des Charakters der Kirche als „Volk“ liegt, wäre theologisch nicht ausgeschöpft, wenn er durch die Analogie zu staatlichen und gesellschaftlichen Strukturen allein, d.h. also nur soziologisch , ausgelegt würde. Sowohl die hierarchische Verfassung als auch die gesellschaftliche [31] Vielgestaltigkeit im Leben der Kirche haben einen tieferen Grund.

Der fundamentale Unterschied zwischen der hierarchischen Gestalt der Kirchenverfassung und irgendeiner Gestalt staatlicher Verfassung liegt auf der Hand: Die Staatsform leitet ihr jeweiliges geschichtliches Recht und somit auch ihre geschichtliche Variabilität her aus der Zuordnung auf das Gemeinwohl der in diesem Staat sich verfassenden Gesellschaft. Die hierarchische Gestalt der Kirchenverfassung hingegen ruht auf göttlichem Stifterwillen. Der Sinn dieses Stifterwillens ist die geschichtlich weiterwährende Repräsentation des unsichtbaren Hauptes Christus. Wie Christus gesandt ist, so ist auch die Sendung des Amtsträgers nicht Delegation durch das Volk, sondern unverfügbare Sendung.

Doch auch das gesellschaftliche Leben der Kirche wurzelt tiefer als in der subjektiven, nur humanen Freiheit der einzelnen Glieder der Kirche. Wie die Schrift, besonders in den Paulusbriefen immer wieder betont und das Konzil es immer wieder aufnimmt, lebt eine Vielzahl von Gaben des Geistes in den Gliedern der Kirche (vgl. bes. Lumen Gentium Nr. 32, Röm 12,3–8; 1 Kor 12,4–11, 28–31; Eph 4,7–13; 1 Petr 4,10 f.). Die Charismen sind der tiefste Grund des vielfältig sich in der Kirche äußernden Lebens, und so sehr sie der Einordnung ins Ganze und Hinordnung aufs Ganze durch das Amt bedürfen, so wenig sind sie doch vom Amt verliehen und bedingt; sie sind vielmehr unmittelbare Gabe des Geistes, deren Beurteilung und Eingliederung in den Aufbau des einen Leibes Christi allerdings dem Amte obliegt (vgl. Lumen Gentium Nr. 12). Die Ekklesiologie etwa des Epheserbriefes, welche die Kirche auferbaut sieht auf dem Fundament der Apostel und Propheten (vgl. Eph 2,20; 3,6; 4,11), verdeutlicht das Gesagte insbesondere. So ist nicht nur die Bedeutsamkeit des „gesellschaftlichen“ Lebens der Kirche gesichert, in welchem die Charismen sich unmittelbar äußern, sondern auch die Ursprünglichkeit der gesellschaftlichen Wirklichkeit des Volkes Gottes, auf die sich das Amt bezieht und die das Amt nicht erst herstellt.

[32] Es wäre theologisch allerdings bedenklich, Amt und Charisma einander einfachhin gegenüberzustellen; das Amt gehört vielmehr selbst zu den Gnadengaben des Geistes (vgl. die angegebenen paulinischen Stellen). Innerhalb dieser Gnadengaben des einen Geistes hat aber das Amt die spezifische Aufgabe der Zuordnung aller zueinander, aller zum einen Zeugnis vor der Welt und aller zum einen Herrn und seinem bindenden Erbe. Doch sind so nicht nur alle Charismen auf das eine Charisma des Amtes verwiesen, um im Gehorsam und in der Einheit dem Aufbau des einen Leibes zu dienen; das Charisma des Amtes ist auch an alle Charismen gewiesen, um auf den Geist zu hören und ihn zu achten, der in ihnen spricht (vgl. Lumen Gentium Nr. 37).

Die Funktion des hierarchischen Amtes besteht demnach vornehmlich im Dienst an der Einheit. Dieser Dienst des hierarchischen Amtes integriert die Einheit des Volkes Gottes, aber gewährt sie nicht allein; denn der derselbe einende Geist, der die Amtsträger zur Bewahrung des Erbes der Offenbarung, zur Ordnung des Lebens der gegenwärtigen Kirche und zur Weitergabe des in Christus und seinem Geiste verliehenen Gnadenlebens in den Sakramenten bevollmächtigt, wirkt auch unmittelbar in allen Gliedern des Leibes die höchste und entscheidendste aller Gaben: die Liebe, an der alle anderen Gaben Anteil nehmen müssen, um wahrhaft die Einheit im Geiste aufzuerbauen (vgl. 1 Kor 12 und 13).

Daraus ergibt sich, dass die Verantwortung für die Einheit der Kirche Aufgabe aller Glieder des Gottesvolkes ist; auch die Laien, die ja an der Heilssendung der Kirche selbst teilnehmen (Lumen Gentium Nr. 33), haben hier also einen aktiven Beitrag zu leisten. Gerade die neu geschaffenen Gremien, in welchen die Pluralität der Aufgaben und Gaben in der Kirche sich repräsentiert, sind sinngemäß die Organe dieser Mitverantwortung für die Einheit So wird die hierarchische Verantwortung und Zuständigkeit nicht gemindert, sondern unterstützt.

Der Auftrag des hierarchischen Amtes - die an sich notwendige Differenzierung der aus dem ordo und der aus der iurisdictio [33] erwachsenden Aufgaben darf hier vernachlässigt werden - besteht darin, die Einheit der Kirche aus ihrem Ursprung durch die Wahrung der Lehre, die Sorge um die Universalität des Heilsangebotes an alle Glieder des Volkes Gottes, die Ausspendung der Sakramente und die leitende Zusammenordnung aller Dienstleistungen und Charismen in der Kirche zu gewährleisten. Die Aufgabe der anderen Charismen an der Einheit der Kirche besteht hingegen im Einbringen der Vielfalt der Welt, für welche die Kirche da ist, und im Einbringen der vielfältigen Wirkungen des Geistes in das hierarchisch geeinte Leben des Gottesvolkes.

Das geschieht kraft der Liebe, die ihren gesellschaftlichen Ausdruck in Gespräch, Mitwirkung und Zuordnung findet.

Die gesellschaftlichen Organe des Volkes Gottes, die nicht unmittelbar aus seiner hierarchischen Verfassung herzuleiten sind, dürfen freilich nicht ohne weiteres als Ausfluss der Charismen verstanden und mit ihnen gleichgesetzt werden, sie sind jedoch der zum Dienst an der Einheit des Gottesvolkes geschaffene Weg, der offengehalten werden muss, damit alle seine Glieder mit ihrer Funktion und ihrer Gabe fürs Ganze im Leben der Kirche wirksam werden können.

  1. Der sakramentale Zeichencharakter der Kirche

Die Blickrichtung, in welche der Charakter der Kirche als Volk Gottes weist, geht nicht nur nach innen, auf das Leben und die innere Einheit der Glieder der Kirche, sondern über die Kirche hinaus, in die Welt. Nach der Aussage des Konzils hat Gott „die Versammlung derer, die zu Christus als dem Urheber des Heiles und dem Ursprung der Einheit und des Friedens glaubend aufschauen, als seine Kirche zusammengerufen und gestiftet, damit sie allen und jedem das sichtbare Sakrament dieser heilbringenden Einheit sei“ (Lumen Gentium Nr. 9).

Der sakramentale Charakter der Kirche beruht begriffsgemäß darin, dass aufgrund des Stifterwillens Christi in ihr auf sichtbare Weise unsichtbare Gnade zur Darstellung kommt und vermitteln [34] wird. Die Gnade, die das Ursakrament Kirche vermittelt und darstellt, ist nicht spezifisch eingegrenzt wie bei den sieben Einzelsakramenten, sondern ist das Heilsangebot Gottes an die Menschheit selbst, das in Jesus Christus endgültig geschehen ist. Die Kirche muss also Christus selbst für die Welt zur Darstellung bringen, ihn und sein Heil ihr schenken. Dies aber kann eben nur durch ihre sichtbare Einheit mit Christus geschehen, in welcher dieser selbst aufscheint und repräsentiert wird.

Worin bestehen nun die sichtbaren Elemente der Repräsentation Christi, welche die Kirche zum sakramentalen Zeichen konstituieren? Welcher Sinn dieser Frage im Zusammenhang der Untersuchung der ekklesiologischen Bedeutung der Räte des Laienapostolates zukommt, wird erst aus der Antwort auf diese Frage selbst deutlich werden.

Gewiss ist die vollendende Weise der sichtbaren Repräsentation Christi in der Kirche das hierarchische Amt. Sein Inhaber ist Christi Stellvertreter; er übt seine Funktion als Haupt jeweils innerhalb der gesellschaftlichen Ordnungsgröße der Kirche (Gesamtkirche oder Teilkirche) aus, für welche er bestellt ist. Es wäre aber eine Verkürzung, wollte man den sakramentalen Zeichencharakter der Kirche auf die Wirksamkeit und Sichtbarkeit Christi als Haupt seines Leibes im Amtsträger beschränken. Christus hat selbst die Einheit der Seinen, wie er und der Vater eins sind, als Zeichen für die Welt erklärt, damit diese glaube (Joh 17,23),und diese Einheit darf gewiss nicht auf die hierarchischen Ordnungsbeziehungen eingeengt werden, so sehr diese freilich mitgemeint sind.

Nicht nur der paränetische Text des Anfangs des 2. Kapitels des Philipperbriefes (Phil 2, 1–4) weist auf die Gegenseitigkeit und Allseitigkeit des Einheitsgebotes hin; ausdrücklich legt das Neue Gebot der Bruderliebe, wie Jesus geliebt hat (Joh 13,34), das Gebet Jesu um die Einheit aus; denn an dieser Liebe sollen ja alle die Jünger Christi als solche erkennen. Dadurch aber ist das „gesellschaftliche“ Leben der Glieder der Kirche, ihr Versammeltsein in Jesu Namen, mit hineinbezogen [35] in den sakramentalen Zeichencharakter der Kirche. So versteht es auch das Dekret über das Laienapostolat (Nr. 18). Christus wird sichtbar gemacht und gegenwärtig, wo seine Liebe zwischen seinen Jüngern geschieht (vgl. ebd., Mt 18,20).

Des weiteren muss an die Teilhabe des gesamten Gottesvolkes und auf je eigene Weise auch der Laien am priesterlichen, prophetischen und königlichen Amt Christi erinnert werden. Aufgrund dieser Teilhabe werden diese Ämter Christi - freilich auf andere Weise als bei den Trägern des ordo und der iurisdictio auch welthaft sichtbar (vgl. Lumen Gentium Nr. 10-12, 34–36). Die Konzilstexte sprechen mannigfaltig und eindrucksvoll hiervon. Gerade indem etwa bei der Eucharistiefeier infolge der verschiedenartigen Teilnahme am einen Priestertum Christi jeder seinen eigenen Teil übernimmt, stellen die Mitfeiernden „sodann die Einheit des Volkes Gottes, die durch dieses hocherhabene Sakrament sinnvoll bezeichnet wird, auf anschauliche Weise dar“ (Lumen Gentium Nr. 11). Das „prophetische“ Zeugnis der Laien, das mit dem „Leben aus dem Glauben ohne Zögern das Bekenntnis des Glaubens“ verbindet und sie „zu gültigen Verkündern des Glaubens an die zu erhoffenden Dinge (vgl. Hebr 11,1)“ macht, wird ausdrücklich mit der Zeichenkraft der Sakramente für die eschatologischen Heilsgüter verglichen (Lumen Gentium Nr. 35). Ihrerseits sollen die Gläubigen die Zeichenhaftigkeit ihres Glaubens und seiner Hoffnung dadurch vollenden, dass sie diese „auch durch die Strukturen des Weltlebens ausdrücken“ (ebd.). In der Identität „königlicher Freiheit“ mit demütigem Dienst an den anderen und für die anderen, in der Gestaltung de Welt zugleich „durch ihre Zuständigkeit in den profanen Bereichen und durch ihre innerlich von der Gnade Christi erhöhte Tätigkeit“ wird schließlich auch der spezifische Anteil der Laien am königlichen Amt Christi sichtbar (Lumen Gentium Nr. 36).

Die herangezogenen Texte und die Überlegungen, aus denen sie erwachsen, bekunden deutlich: Der sakramentale Zeichencharakter der Kirche und der Anteil ihrer Glieder an ihm lässt sich nicht auf die Repräsentation Christi durch das hierarchische Amt eingrenzen.

[36] Eine weitere Hinsicht bekräftigt dies: In den Konzilsaussagen wird der Titel „Kirche“ oder „kirchliche Gemeinschaft“ selbst von Rom getrennten Gruppen von Christen zuerkannt (Unitatis Redintegratio Nr. 19, Lumen Gentium Nr. 15, Gaudium et Spes Nr. 40, Ad Gentes Nr. 15). Dabei ist nicht nur an Analogien oder Elemente des ordo oder kirchlichen Amtes bei manchen dieser Gemeinschaften gedacht. So kommt hier ebenfalls zum Ausdruck, dass auch andere Elemente als das hierarchische auf ihre Weise an dem Charakter jener Sichtbarkeit teilhaben, welche, durch das hierarchische Amt integriert, die römisch-katholische Kirche zum sakramentalen Zeichen des Heils für die Welt erhebt.

Wenn so auch nur dort „im Namen der Kirche“ gesprochen werden kann, wo die Einheit mit der Hierarchie nicht nur innerlich bejaht wird, sondern wo der zuständige Träger der Amtsgewalt direkt oder indirekt selbst der Sprechende ist, so beschränkt sich doch die Teilhabe am sakramentalen Charakter der Kirche nicht im vorhinein auf Gruppen oder Gremien, die analog den Haupt-Leib-Schema von einem Träger der Jurisdiktionsgewalt geleitet werden.

Dies ist für die Frage der „Räte“ von Belang; denn eine über das bloße Beraten hinausreichende Teilnahme am Heilsdienst der Kirche als solchem kann jedenfalls nicht daran geknüpft werden, dass diese Räte in sich selbst eine hierarchische Spitze besitzen. Ein solches Strukturelement ist nicht erforderlich, um am sakramentalen Zeichencharakter zu partizipieren. Viel eher scheint ihnen bzw. manchen von ihnen (vgl. Teil II dieser Ausführungen) eine andere Struktur als die hierarchische angemessen, weil so gerade die Zuordnung der primär gesellschaftlichen Formen des Kirche-Seins zu ihrer hierarchischen Integration zum Ausdruck kommt.

  1. Der Weltauftrag der Kirche und des Laien in der Kirche

Nach der Lehre des II. Vaticanum ist das ganze christliche Volk in den Dienst nicht nur an der Kirche, sondern auch an [37] der Welt gestellt; hierbei kommt jedoch dem Laien in besonderer Weise der „Weltcharakter“ zu (Lumen Gentium Nr. 31). Diese Aussage des Konzils hat einen doppelten Aspekt: Z um einen wird deutlich, dass die Kirche im ganzen, dass also alle Glieder des Volkes Gottes, auch die Träger des Amtes, nicht aus dieser Welt herausgenommen, sondern in sie hineingestellt, für sie mitverantwortlich sind. Ein Rückzug etwa der Amtsträger auf den Bereich einer bloßen Kircheninnerlichkeit, eine damit verbundene Spiritualisierung der Kirche, ein Desinteresse und eine Nichtverantwortlichkeit für die Belange welthaften Daseins sind somit ausgeschlossen. Ausgeschlossen ist ebenfalls eine Teilung des Volkes Gottes in zwei durch ihre schlechthin verschiedene Funktion beziehungslose Gruppen: dem Heilsauftrag der Kirche allein zugeordnete Kleriker und dem Weltdienst allein zugeordnete Laien. Zum anderen ist jedoch gleichwohl eine theologische Aussage über das Verhältnis des Laien zur Welt und zu ihren Ordnungen gemacht: Innerhalb der gemeinsamen, aber nicht gleichartigen Teilhabe der Kleriker und der Laien am Heilsauftrag und am Weltauftrag der Kirche kommt den Laien eine eigenständige Aufgabe zu, nicht nur aufgrund zufälliger soziologischer Verhältnisse, sondern aus der inneren Ökonomie des Geheimnisses der Kirche.

Der Bezug der Kirche zur Welt hat von innen her zwei Komponenten: Einmal hat die Kirche Prinzipien zur Gestaltung des Welthaften auf Gott hin zu verkünden, die aus dem schaffenden und erlösenden Willen Gottes zur Welt, aus der Ordnung der Schöpfung und Offenbarung also, erwachsen. Doch erschöpft sich darin die Fortsetzung und Durchführung des in Jesus Christus gegründeten Verhaltens zur Welt durch die Kirche nicht. Jesus Christus hat seinen Kontakt zur Welt nicht auf das begrenzt, was er ihr zu sagen und zu gebieten hatte; er hat solidarisch das Leben der Menschen in der Welt übernommen und den Willen Gottes in dem getan und das Reich Gottes in dem vorbereitet, was ihm dieses Leben an unmittelbaren irdischen Aufgaben zutrug. So gehört es zur Christusnachfolge der Kirche, dass ihre Glieder durch die Solidarität mit den anderen in dieser Welt und durch die sachgerechte Erfüllung der Aufgaben in ihr und an ihr den Willen [38] Gottes erfüllen und der Welt dienen. Das Konzil spricht davon, dass zu unterscheiden sei zwischen den Rechten und Pflichten, welche die Gläubigen haben, insofern sie zur Kirche gehören und denen, die sie als Glieder der menschlichen Gemeinschaft haben. Beide sollen miteinander harmonisch verbunden werden, weil in beiden die Zuordnung der Welt zum Reich Gottes geschieht (vgl. Lumen Gentium Nr. 36).

Aus solch doppeltem Weltbezug der Kirche lässt sich die spezifische Aufgabe des Laien ermitteln; da er unmittelbar in die irdischen Wirklichkeiten, in Wirtschaft, Gesellschaft, Beruf, Familie und Staat hineingestellt ist, obliegt ihm die gemäße Anwendung und Übersetzung der durch die Kirche verkündeten Prinzipien in die Dimension der Sachgerechtigkeit. Er bewirkt dadurch zugleich die Solidarität zwischen Kirche und Welt, indem er, unmittelbar aus seinem an den Sachen orientierten Wissen und Können, die weltlichen Bereiche mitgestaltet. So aber heiligt er durch seine Verbindung mit Christus das Welthafte und ordnet es dem kommenden Gottesreich zu.

Gewiss ist solche Solidarität und ist im Maße seiner sachhaften Weltbezüge auch die Sachgerechtigkeit in der Gestaltung des Irdischen dem Kleriker genauso wie dem Laien aufgetragen; einer „Herausnahme“ des Klerikers aus der radikalen Mitmenschlichkeit und Mitweltlichkeit des Christen soll keineswegs das Wort geredet sein. Doch während der spezifische Dienst des Amtsträgers sich auf die Sichtbarkeit Christi in der Struktur der Gemeinde bezieht, ist dem Laien wohl unmittelbar die Gestaltung seiner Welt zum sichtbaren Zeichen auf den schaffenden, erlösenden und vollendenden Herrn hin aufgetragen. Dieser Dienst leistet zur Sakramentalität der Kirche als Zeichen des Heils für die Welt und in der Welt einen mittelbaren, aber wesentlichen Beitrag.

Aus dieser spezifischen Weltaufgabe des Laien, welche die Weltaufgabe der Kirche unmittelbar für die Welt und in der Welt konkretisiert, folgt aber auch eine neue Hinsicht des Dienstes des Laien in der Kirche, auf die wir bereits kurz aufmerksam machten: Dem Laien kommt es zu, die welthafte Wirklichkeit [29] einzubringen, in Kontakt zu bringen und wirksam und lebendig zu machen im Organismus der Kirche; er soll den Kontakt zwischen dem Heilsauftrag der Kirche an sich und der Welt, an welche dieser sich richtet, für die Kirche selber ausbauen.

Die auf die Welt bezogenen Maßnahmen und Entscheidungen des kirchlichen Amtes - und in einem gewissen Grad werden dies alle Maßnahmen und Entscheidungen sein - bedürfen der beratenden Mitwirkung des Laien; diese stellt kraft seiner Zuständigkeit für die Dinge dieser Welt keine unverbindliche, sondern eine partiell maßgebliche Mitwirkung dar. Diese notwendige Verflochtenheit des Heilsdienstes der Kirche mit der Welt bietet einen weiteren und wichtigen Grund für die Bildung von Räten, in denen Laien mit den Trägern des Amtes mitarbeiten.