Das Beten der Kirche
Anfragen und Schwierigkeiten
Das Stundengebet ist vielfach nicht nur jenen fremd, für die das Beten grundsätzlich in Frage steht. Auch wer durch die Mauer der Sprachlosigkeit vor Gott durchgestoßen ist, wer angefangen hat, Gottes Du und vor Gottes Du sein eigenes Ich neu zu finden, wer also ein Verhältnis zum Gebet gewonnen hat, tut sich nicht selten schwer mit dem Stundengebet.
Wieso? Vielleicht deshalb, weil er den Eindruck hat, nun werde ihm sein eigenes Wort, das er entdeckt hat, wieder aus dem Mund und dem Herzen genommen und umgegossen in eine Schablone. Genau das hat er doch nicht verkraftet: er sah, wie viele so glatt und so gut ihr „Pensum“ zu beten vermochten, wie munter die Worte liefen aber er hatte den Eindruck, hier werde über das eigene Ich „hinweggebetet“, das objektive und institutionelle Gebet der Kirche sei jenes Gebüsch, hinter dem der armselige und nackte Adam, der ratlos vor Gott steht, sich vor sei-[19]nem Anruf versichert und versteckt. Oder zumindest, um ein anderes Bild zu gebrauchen, erfahren viele das Stundengebet wie die zu große Rüstung, in welche der kleine David hineinschlüpfen sollte – er konnte darin nicht gehen, er konnte darin nicht er selber sein. Braucht das Gebet nicht meine Worte, braucht es nicht meine Zeiten? Drohen zu große, zu fremde Worte nicht mich entweder zu ersticken oder zu verfremden oder mir ein Alibi zu bieten für die unabnehmbar eigene Antwort, die ich Gott schulde?
Nun, es könnte zunächst aussehen, als ob es sich hier nur um eine Not mit der Form des Stundengebetes handle. Aber so ganz lassen sich Form und Sache nicht trennen, und vielleicht ist die Not mit der Sache, obschon verborgener, noch elementarer. Beten mit der Kirche? Wer ist das überhaupt, die Kirche? Institutionen zu handelnden Subjekten hochstilisieren, Institutionen personalisieren, erinnert das nicht an verstaubte Denkmäler von Freiheit und Vaterland oder an Ideologien von der Partei und der Klasse? Beides, Kirche als Denkmal und Kirche als Ideologie, machte uns allergisch. Wir sind bereit, über Kirche nachzudenken, Kirche konkret zu gestalten und sie auch als einen Rahmen zu akzeptieren, in dem unser Christsein seinen Halt und Zusammenhang findet. Wir sind manchmal sogar glücklich, Kirche zu erfahren; dann nämlich, wenn Menschen sich im Namen Jesu versammeln und in ihnen etwas von jenem anderen Geist und Feuer Jesu spürbar wird. Aber irgendwo allein seine Psalmen beten und dann sagen: die Kirche betet, und ich bete mit ihr...? Gewiß, dieses Wort gewinnt schon an Aussagekraft, wenn man das Stundengebet gemeinsam betet, wenn nach einem guten Gespräch oder vor einem gemeinsamen Tun man miteinander eine Hore feiert. Aber genau besehen, bleibt der Überschuß ja doch, der uns zu schaffen macht: Daß die Kirche betet – ob nun Ortskirche oder Gesamtkirche dabei im Vordergrund steht –, das will uns nur schwer in [20] den Sinn, damit können wir real nur schwer etwas verbinden.