Hoffnung für uns

Auf Weltebene

Inzwischen ist es zur Selbstverständlichkeit geworden, daß die Situation der Menschheit unteilbar ist, daß alle Kontinente, alle Nationen Partner einer einzigen Zukunft, daß alle auf alle angewiesen sind. Nur was man sich darunter vorstellt, ist nicht leicht auf einen Reim zu bringen. Je dichter das Netz der gegenseitigen Abhängigkeiten, je drängender [58] die Notwendigkeit einer umfassenden Kooperation, desto spannungsreicher das Miteinander der einen Menschheit, desto vielgestaltiger die Profile unterschiedlicher Kultur und Mentalität.

Das legitime Interesse steht auf, die angestammte Eigenart zu wahren, den eigenen Weg zu finden und sein Recht kulturell und politisch durchzusetzen. Selbständigkeit, Unabhängigkeit, Befreiung wird zum Zauberwort. Befreiung heißt hier nicht nur Befreiung von äußerer Vorherrschaft, sondern auch und gerade Befreiung vom ideellen Übergewicht fremder Denk- und Lebensformen. Wird die Welt zum Naturschutzpark wohlbehüteter, voneinander isolierter Kulturen und Nationalitäten, die sich allenfalls zusammenschließen, um sich gegenseitig im Recht ihrer Eigenheit und Andersheit vor Dritten zu schützen?

Doch hier bereits bricht der innere Widerspruch auf. Der Schutz vor Dritten wird zum Schutz im Bund mit Dritten, mit Supermächten, die allein schon durch ihr wirtschaftliches und militärisches Gewicht einen normierenden, überfremdenden, nivellierenden Einfluß ausüben. Aber auch abgesehen davon, wer seine Eigenart, seine Besonderheit in unserer eins werdenden Welt bewahren und zur Geltung bringen will, der muß hierzu sich einfügen in die Gesetze ihrer Zivilisation, in den Rhythmus ihrer Entwicklung. Die Parole Befreiung meint so doch oft genug im selben Atemzug Befreiung von Fremdeinfluß, Befreiung also zum eigenen Weg und Befreiung von aller Benachteiligung, Befreiung als Angleichung. Dies als widersinnig zu schelten, wäre töricht. Denn im Grunde kann man sich gar nicht nur für das eine gegen das andere entscheiden: Freiheit, die sich ins Ghetto isolierte, müßte an sich selbst ersticken; Freiheit aber, die nur aus dem gemeinsamen Fonds vorgefertigter Möglichkeiten existierte, hätte sich bereits verkauft. Es bleibt die schier unlösbar erscheinende Aufgabe, eigene Ursprünglichkeit und Leben voneinander und miteinander in Einklang zu bringen. Solcher Einklang wäre also der Gegensatz zum technokratischen oder ideologischen Einerlei, er wäre aber auch mehr als der mühsame und halbe Ausgleich im bloßen Kompromiß.

Um diese ziemlich allgemeinen Bemerkungen mit Anschauung zu füllen, brauchten wir keineswegs allein an die Länder der Dritten Welt und ihr Verhältnis zu den Supermächten zu denken. Auch Europa steht zwischen abendländischer Nostalgie und – politisch, kulturell, ideologisch – radikaler Überfremdung.