Volk Gottes auf dem Weg

Aufbruch der Horizontalen

[4] Angesichts solcher Bedrohung des Glaubens und des Lebens aus dem Glauben scheint es in der Tat beinahe widersinnig, daß man nach der Kirche fragt. Doch, wie schon bemerkt, liegt die Zukunft des Menschen so sehr am Menschen selbst, daß in der „Horizontalen“, in seinem Blick auf die Zukunft der Menschheit, die Dimension unbedingter Verantwortung wiederum aufbricht. Der Mensch ist hineingestellt in die Solidarität mit seinem Bruder. Der nebenan kann ohne mich, ich kann ohne ihn nicht existieren. Das Werk, das wir tun, ist Werk füreinander und miteinander für die Menschheit. Der Mitmensch, das Du, wird zum Zeichen und zur Stätte jenes Unbedingten, um das es dem Menschen geht und das ihn beansprucht. Der Mensch, das Bild und die Stätte Gottes, dies wäre gewiß nicht der geringste, nicht der „unchristlichste“ Zugang zu Gott. Aber dieser Aufbruch der Verantwortung und des Anspruchs, die uns im Mitmenschen Unbedingtes berühren lassen, droht selbst wiederum verschüttet zu werden. Wodurch? Das Engagement, das uns mitreißt auf den Weg in die Zukunft der Menschheit, reißt uns zugleich über den konkreten einzelnen, der du bist, hinaus. Wir dürfen beieinander nicht stehen bleiben, wir müssen miteinander der „Menschheit“ dienen, das heißt aber: den Strukturen, in welchen die Menschen von morgen besser, freier, gesicherter leben können. Es gibt ein eigentümliches Pathos des Einsatzes für die Evolution, für den Dienst an einer neuen, noch zukünftigen Gesellschaft. Gewiß lebt auch und gerade hier der Ernst der Unbedingtheit, gewiß wäre es verkehrt, in romantischer Idylle, der Ich-Du-Beziehung stecken zu bleiben. Und doch droht die Magie der Strukturen des Traum- und Hoffnungsbildes von morgen eben jenen unmittelbaren Zugang wieder zu versperren, der sich in der Horizontalen zu dem Geheimnis Gottes hindurch den Mitmenschen aufzutun schien. Der Gott der Zukunft ist in Gefahr, in das „Es“ der Gesellschaft, der Menschheit zu entschwinden.