Die Stunde des Neubeginns
Auskunft des Konzils
Die im Zweiten Vatikanischen Konzil grundgelegte und in den Römischen Bischofssynoden von 1985 und 1987 ausdrücklich werdende Communio-Theologie ist nichts anderes als eine konsequente Entfaltung dessen, was Evangelisierung in der Schrift bedeutet. Die Communio-Theologie arbeitet mit den drei Grundbegriffen Mysterium, Communio und Missio; das heißt: Heilsgeheimnis bzw. Heilsereignis, Gemeinschaft in ihm und Sendung aus ihm.
Mysterium – Heilsgeheimnis. Evangelisierung schildert, wie gesagt, einen kommunikativen Vorgang. Das innere Geheimnis Gottes, die „Lebenswelt“ Gottes schenkt sich ganz und endgültig in die Lebenswelt der Menschen hinein, ohne sich mit ihr zu vermischen, in ihr unterzugehen. Wie aktuell wird in dieser Sicht das christologische Dogma von der ungetrennten und unvermischten Einheit göttlicher und menschlicher Natur in Jesus Christus (Chalzedon)! Das Leben Gottes, das in Jesus da ist, Fleisch wird, sich unter uns ereignet und kund wird (Er ist das Wort Gottes), drängt von seinem Wesen her weiter, es macht Geschichte. Das Evangelium ereignet sich deshalb in jedem Menschen und in jeder Zeit neu, überraschend anders. Zumal an den Bruchstellen der geschichtlichen Entwicklung, beim Anbruch einer anderen geschichtlichen Epoche, erweist sich die innere Lebendigkeit und Kraft der Überlieferung. In jeder neuen Zeit setzt sie sich aufs neue durch und bringt schließlich in schöpferischer Kraft eine neue Lebenswelt hervor.
Communio – Einheit. Wird im Vorgang der Überlieferung des Heilsereignisses nicht unversehens jene Erfahrung neuer Einheit belangvoll, die uns im Epheserbrief bezeugt wird? In Jesus Christus ist die Trennwand zwischen dem Volk Gottes und der Heidenwelt und ist die andere Trennwand zwischen Gott und der Menschheit niedergerissen (vgl. Eph 2,11ff). Im Evangelium von Jesus Christus ereignet sich die Einheit zwischen den getrennten Lebenswelten von Griechen und Juden, und in ihrer Einheit miteinander ereignet sich die Einheit Gottes mit der Welt und zugleich die innere Einheit der ansonsten zerrissenen Welt. Evangelisierung – das ist das Entscheidende – ist ein kommunikativer Prozeß, dessen Initiator Gott allein ist, allein, aber nicht einsam, so daß Gott den Menschen, und zwar jeden Menschen und jede Weise von Menschsein, mit seiner je eigenen Prägung anspricht und einbegreift.
Missio – Sendung. Der unabschließbare Prozeß der Evangelisierung modifiziert, erweitert, sprengt im Fortgang der Geschichte immer wieder den Rahmen der Sprach-, Bild- und Lebenswelt der Vergangenheit. Das gilt schon für den Anfang. Deshalb kann ein ungeschichtliches Beharren auf dem historischen Beginn, etwa auf der Zeit des öffentlichen Wirkens Jesu, nicht die Tradierungsbedingung christlichen Glaubens, die Voraussetzung für authentische Evangelisierung überhaupt sein. Nicht traditionalistisches Festhalten, sondern dynamisches Weitergehen auf dem Weg ist von Anfang an für die Weitergabe der biblischen Botschaft charakteristisch. Die Geschichte der Evangelisierung ist eine Geschichte stets neuer Grenzüberschreitungen: von der vor- [8] österlichen Jüngergemeinschaft um Jesus zur pfingstlichen Urgemeinde um den Auferstandenen und Erhöhten, von der „Mission“ unter den Juden zur Heidenmission, vom biblischen Kulturkreis zur hellenistisch-römischen Welt usw. In der christlichen Missionsgeschichte wiederholt sich immer wieder ähnliches wie das Niederreißen der Trennwände zwischen Juden und Heiden in der Urkirche. Übersetzung in neue Sprach- und Bildwelten hinein bei strenger Wahrung der Einheit und Selbigkeit des Evangeliums gehört zum Wesenhaften des Evangeliums selbst, ist kein methodischer Zusatz zu seinem inhaltlichen Kern. Ohne Communio und Missio wäre das Evangelium nicht es selbst, würde seine innere Dynamik unterdrückt. Diese Einsicht hat für den einschneidenden Augenblick, die Wende von einer Epoche zu einer anderen, an der wir in der Geschichte der Evangelisierung heute stehen, radikale Konsequenzen. Ein Neuanfang ist fällig.