Theologie in Fragmenten

Bewährung des Modells im ganzen

So zentral das Motivfeld der Genese, der Gestaltung und der doppelten Gründung im gesamten Denken Baaders liegt, so notwendig ist es dennoch, die Linien noch zu einigen anderen Motiven auszuziehen, an denen sich das entworfene Grundmodell bewähren muß.

a) Für Baader ist es von zentraler Bedeutung, daß der Mensch nicht mit seinem Anfangen, sondern mit seinem Angefangenwerden anfängt, mehr noch, daß alles Erkennen auf ein Erkanntwerden aus ist, in der dialogischen Gegenläufigkeit seinen inneren Ursprung und seine Erfüllung hat.[21] Hier scheint die Klammer zwischen Anfangen und Gestalten gesprengt. Und doch fügt auch dieses Grundmotiv Baaders sich ins oben gezeichnete Modell. Anfangen durch Widerstand hindurch: das bedeutet Stoßen auf die Reaktion in der Aktion. Gerade die Aufhebung von Widerstand als Bedingung meines eigenen Gestaltens läßt auch das Gegenübersein meines Anderen dynamisch in sich aufgehen. Gewiß führt die Intention des Baaderschen „Cogitor, ergo cogitans sum“[22] weiter als bis zur poietischen Einsamkeit des Allgestaltens; es läßt sich gleichwohl in die dynamischen Proportionen des vom Gestalten bestimmten Grundmodells einordnen.

b) Erlösung, Restitution, Versöhnung als doppelte Steigerung, sowohl der frei erlösenden und restituierenden Herablassung des Ur- [170] sprungs wie auch der Ursprünglichkeit dessen, der sich glaubend der Erlösung überläßt, von hier aus die Bedeutung des Negativen, zumal des Kreuzes, aber auch eine reiche Entfaltung des Phänomenfeldes Speisung, Mahl, Eucharistie: dies sind Stichworte für einen wichtigen Themenkreis in Baaders spekulativem Denken.[23] Hier wird besonders deutlich, wie leidenschaftlich es Baader ums „Geschichtliche“, Unableitbare, um „freie“ Freiheit und geschehende Kommunikation zu tun ist; zugleich aber kommt auch das Grundmotiv „aufgehobener Widerstand“ als Instrumentarium seines Denkens ins Spiel.

c) Erkennen erhält bei Baader grundsätzlich einen genetischen, ja praktischen Charakter. Genauso wie existentielle Verwirklichung und gestaltendes Anfangen der Bewährung in der Aufhebung des Widerstandes bedürfen, so auch das Erkennen selbst. Um Baaders Position zusammenzufassen: Allem Erkennen geht ein Glauben als ein Sich-Aufheben und Sich-Lassen voraus, und alles Erkennen selbst geschieht im Tun, das als solches der Vorschuß seiner selbst als Erkennen ist; eine der Baaderschen Grundformeln heißt dementsprechend: „Fac et videbis“.[24]

Überblickt man die Grundthematik und Grundmotivik Baaderschen Denkens, so zeichnet sich etwas wie ein „Wettlauf“ ab: Es ist Baaders Leidenschaft, sich dem zuzuwenden, was bloßes Denken als seiner selbst mächtiges Ableiten und was empirisches Konstatieren, gefaßt als verrechnendes Sicherstellen, nicht vermögen. Zugleich aber wird immer reicher und differenzierter ein durchgängiges Grundmodell ausgearbeitet, das eben des Anfangens als Gestalten, welches sich ausprägt in den Grundmotiven der Gestaltung als Aufhebung von Widerstand und der doppelten Gründung. Dieses Modell ist entworfen, um die „Selbstverständlichkeit“ und „Immanenz“ des sich denkenden Denkens und sich wollenden Wollens zu sprengen, es in die Unableitbarkeit von Geschehen und Beziehung hinein zu öffnen. Indem aber das Motiv der Gestaltung, der Poiesis führend bleibt, das Instrumentarium des Gedankens bestimmt, wird Beziehung wiederum vom sie stiftenden Willen, wird Anfangen vom Angefangenen als Gestalt und vom Anfangenden als Gestaltenden her gedacht. Darin aber liegt die eigentümliche Dramatik Baaderschen Denkens begründet.