Bildung und Bistum

Bildung und Pastoral*

Nun könnte eine Frage laut werden: War in unseren Überlegungen tatsächlich nur das Spezifische der Bildung thematisch oder läßt sich aus dem bisher Bedachten auf dieselbe Weise auch das Eigene der Pastoral fassen? Sind Pastoral und Bildung in ihrem Begriff identisch, und legt sich der eine oder andere Terminus nur je nach Adressat nahe? Ich bin überzeugt, daß Pastoral und Bildung in einer tiefen inneren Zuordnung stehen und sich wechselseitig bestimmen. Deshalb aber ist es unerläßlich, beide Vorgänge in ihrem Formalobjekt, der sie jeweils leitenden Hinsicht, voneinander zu unterscheiden.

Sowohl in der Pastoral als auch in der Bildung verhalten sich zwei Dialogpartner zueinander, und in beiden Dialogen geht es um Jesus Christus: Der Dialog der Pastoral findet sein Eigenes darin, zur Sprache zu bringen, daß und wie Jesus Christus mit dem, was ist, zu tun hat, der Dialog der Bildung aber, daß und wie das, was ist, mit Jesus Christus zu tun hat.

Die uns begegnende, vielfältige Wirklichkeit fragt uns an: Von woher finden wir in ihr einheitliches Verstehen, können wir sie in ihr Bild heben, uns über sie verständigen? Christliche Bildung kann zeigen, daß diese Frage fundamental eine nach Jesus Christus ist. Wo wir uns zur Radikalität glaubenden Daseins entschließen, in welcher wir das, was ist und wie es ist, auf seinen Ursprung hin [27] befragen, kann sich der universale Horizont des Ganzen, der in Jesus Christus erschlossen ist, öffnen. Christliche Bildung wird sich so aller Wirklichkeit aussetzen.

Pastoral nimmt ihren Ausgang von dem Grunddatum Jesus Christus, der sich in seiner Leidenschaft für die Vielen hingegeben hat und Gottes universalen Heilswillen in dieser Welt gegenwärtig setzt: Pastoral stellt sich seinem Auftrag, seine befreiende Liebe allen gegenwärtig sein zu lassen; Pastoral wird sich so aller Wirklichkeit zuwenden.

Jede dieser gegenläufigen Bewegungen treibt Bildung und Pastoral um. Aber der jeweils primäre Ausgangspunkt ist ein anderer: Wie kommt das Ganze ins Bild des Menschen und wie kommt der Mensch ins Bild des Ganzen, diese Frage ist Ansatz der Bildung; wie werde ich von Jesus Christus her in die Pflicht genommen, seine Leidenschaft für alle, für das Ganze zu leben, diese Frage ist Ansatz der Pastoral.

Halten wir die unterschiedlichen Ansätze fest: Wer im pastoralen Engagement steht, führt Jesus Christus als das Motiv und das Thema ins Feld. Pastoral ist das, was speziell uns als Christen, uns als Kirche aufgegeben ist. Bildung lebt von vornherein aus der Partnerschaft mit anderen Positionen, die nicht das eigene Profil aufzugeben gebietet, sondern die eigene Kontur als Voraussetzung des Dialogs begreift. In der Andersheit des Verhältnisses zum jeweiligen Außen liegt das Unterscheidende im intensiven sich Auf-einander-Beziehen von Pastoral und Bildung.

Wenn aber in der gegenwärtigen geschichtlichen Lage sowohl das Christentum wie die Gesellschaft den Dialog dringend gebieten, verlangt Bistum in unseren Tagen eine profilierte und eigenständige, dialogisch auf die Pastoral bezogene Bildung. Die entsprechende Forderung erhebt sich auch an die Pastoral. Ich hoffe, diese Überlegungen können den inneren Zusammenhang, die notwendige Kooperation und die sinnvolle Differenzierung von Bildung und Pastoral erhellen.