Volk Gottes auf dem Weg

Bleibender Grund

Derselbe Textabschnitt des Hebräerbriefes, der davon spricht, daß Kirche wesenhaft unterwegs bleibt, beginnt mit dem nur scheinbar ganz anders gerichteten Wort: „Jesus Christus gestern und heute, derselbe auch in Ewigkeit“ (Hebr 13,8). Kirche ist unterwegs, ihr Gestern, Heute und Morgen können nicht gleichförmig sein, aber einer und derselbe bleibt bei ihr als ihr Grund und ihre Zukunft: Jesus Christus. Die Kirche ist daher notwendig „traditionell“ und „progressiv“ in einem. Es kann nie ein anderer Grund gelegt wer­den, als der in Jesus Christus bereits gelegt ist (vgl. 1 Kor 3,11). Und die ein für allemal ergangene Botschaft von dem ein für allemal gestorbenen und auferweckten Herrn muß daher unverkürzt und unverfälscht durchgetragen werden durch alle Veränderungen der Zeit und Geschichte. Jesus Christus, seine Wahrheit und sein Leben sind aber nie vollendet eingeholt in einer immer doch endlichen Gestalt kirchlichen Lebens und Verkündigens. Der Herr, der bereits gekommen ist, ist ebenso und immerfort der Kommende, Rufende, An-sich-Ziehende. Er ist also immer auch der erst Zukünftige, der dieselbe „Tradition“, die er grundlegt, auch über sich hinausruft in die je neuen Dimensionen einer jeden neuen Zeit auf dem Wege bis zu seiner Ankunft in Herrlichkeit.

Es ist also nicht ein selbstherrliches und behäbiges Verharren, wenn in der Kirche um „Bleibendes“ gerungen wird, das nicht der Mode und Laune des Geschmacks im Augenblick angepaßt werden darf. Es ist aber ebensowenig billige Anbiederung an den Zeitgeist, wenn die Kirche nicht zufrieden sein kann mit der Gestalt ihrer selbst und [8] ihrer Botschaft, wie sie nun einmal geworden ist. Wan­delbares und Unwandelbares an der Kirche liegen genau am selben, am Herrn, welcher ebenso der gekommene wie der kommende Herr ist. Die Gegenwart der Kirche erwächst gerade daraus, daß sie, auf den gekommenen wie auf den kommenden Herrn blickend, ihn als denselben und einen erblickt, jetzt ihm begegnet, jetzt ihn in ihrer Mitte hält.