Bischof Klaus Hemmerle – ein Maler
Blick auf die Stadt Alghero, Sardinien
Auch die Silhouette dieser Stadt ist ein von Bischof Klaus Hemmerle häufig wiederholtes Motiv seiner Zeichnungen und Aquarelle. Hier scheint sie sich [39] [Im Original hier das Bild: Küstenlandschaft bei Alghero, Sardinien] [40] einem anderen Thema unterzuordnen: eine glitzernde Meeresfläche vor einem mächtigen Gebirge. Mit ganz einfachen Mitteln ist diese Landschaft gemalt, mit wenigen, hastigen Pinselstrichen ist die sanfte Bewegung des Meeres angedeutet, das Gebirge flüchtig konturiert, mehr gezeichnet als gemalt, alles in einer einzigen Farbe. Nur im Vordergrund schiebt sich gegen das lichte Weiß-Blau ein Aufmerksamkeit forderndes Violett als eine Art Landzunge, teilweise sind die Farbflächen, wie auch im Hintergrund mit hiebartigen Strichen gesetzt, die Kraft und Leidenschaft auch in der ruhigen, besinnlichen Bildstimmung unverkennbar machen und gleichzeitig darauf verweisen, daß die liebliche Mittelmeerlandschaft nicht das eigentliche Thema dieses Bildes ist, auch wenn sie dessen ganzes Format füllt. Eine Art Kastell, fast in der Mitte des Bildes, vermittelt über die Bilddiagonale von links unten nach rechts oben den Blick auf das eigentlich Wichtige, die Stadt. In der umgebenden Farb-Askese hebt sie sich – obgleich weit hinten und schon fast aus dem Blickfeld liegend – in ihrer Vielfarbigkeit hervor. Auf dem im Hinblick auf die Bildfläche schon winzig zu bezeichnenden Anteil entwickelt sich eine Vielfalt in Farbe und Form, die wohl für Urbanität steht, die Vielfalt menschlicher Existenz und menschlichen Handelns. Aber bei aller Buntheit im Häusergewirr dominiert in der Silhouette einzig ein Rotgold, obgleich nichts darauf hindeutet, daß es der Widerschein der Morgen- oder Abendsonne sein könnte.
Dachte vielleicht der mit der Bibel lebende Maler an jene Stadt, die aus sich selbst leuchtet und weder der Sonne noch des Mondes bedarf? Hat er vielleicht deshalb die „alte“ Erde zwar noch gemalt, den „alten“ Himmel aber schon weggelassen? Mut-Maßungen. Eines ist jedoch sicher – Klaus Hemmerle fühlte sich dem Wort Gottes verpflichtet, es zu leben und zu verkünden, herauszurufen in die Welt, in der Predigt, der Meditation, dem Dialog, dem geschriebenen Wort bis hin zum Gedicht. Doch selbst diese Bandbreite sprachlichen Ausdrucks, die er meisterhaft beherrschte, und damit die Menschen immer wieder neu in seinen Bann zog, genügte ihm nicht. Er fühlte sich vielmehr zu alternativen Aus- [41] [Im Original hier das Bild: Blick auf die Stadt Alghero, Sardinien] [42] drucksformen gedrängt, wo die Kraft des Wortes versagte oder ihm ungenügend erschien. Über die Grenzen des Wortes hinweg halfen dann das Musizieren und das Malen. Man kann sich kaum vorstellen, daß jemand, der über eine solche universale Denk- und Ausdrucksweise verfügt, nur Gegenstände malen wollte. Viel eher ist zu vermuten, daß für ihn der Fels, der Wolkenhimmel, das Meer, der Berg, die Stadt mehr bedeuteten als Gegenstände – ihre Deutung hat er uns überlassen.