Vorspiel zur Theologie

Das dreifaltige Spiel

a) Zugang: der Geist

Wir sind angenommen in Jesus, Gott selbst ist uns gegeben in Jesus. Denn Jesus gehört ganz zum Vater und ganz zu uns. Er kann nur ganz zu uns gehören, weil er ganz zum Vater gehört. Diese Grundeinsicht christlichen Glaubens wird, vor allem bei Johannes, als gegenseitiges In-sein ausgelegt. Die johanneischen Formeln sind nicht Spekulation, Abstraktion. Sie sagen einfach das Grundverhältnis aus, das sich im Jesusgeschehen begibt und das wir im Glauben als die Tiefe und als die Frucht des Jesusgeschehens wahrnehmen. Wir sind in Jesus, er ist in uns. Der Vater ist in ihm, er ist im Vater.

Von wo aus aber können wir eine solche Aussage wagen? Wie können wir ein Verhältnis zwischen Jesus und uns, das in seinem Verhältnis zum Vater gründet, und so das Verhältnis zwischen ihm und dem Vater selbst erkennen? Wie können wir also in das Innere Gottes eintreten und von dort aus in unser Verhältnis zu Gott? Denn dies ist doch der Weg. Nur weil Gott in Jesus ist, trägt die Aussage, daß wir in Jesus sind.

Die Auskunft der Schrift ist eindeutig. Was uns sagen läßt „Herr ist Jesus“, ist dasselbe, was uns „Abba, lieber Vater“ sagen läßt, und es ist nochmals dasselbe, was zugleich die Tiefen der Gottheit und die Tiefen unseres eigenen Herzens ergründet. Es ist der Geist. In ihm haben wir Einblick in das Verhältnis zwischen dem Vater und dem Sohn, zwischen dem Sohn und uns und so zwischen uns und dem Vater. Aber mehr als Einblick. Der Geist ist diese lebendige Beziehung. Er ist ihr Geschehen, er ist – um in unser Bild vom Spiel zurückzukehren – der [144] Pol, der das Ineinander der spielenden Pole gewährt, der sie einander zuspielt und der so selber mitspielt.

Ein Mehrfaches ist offen durch den Geist, erst durch ihn. Einmal, daß Jesus unser Spiel, nicht nur einen Part dieses Spiels, sondern dieses Spiel ganz mitspielt bis zum äußersten. Und daß in ihm Gott dieses Spiel mitspielt und wir so zu unserem eigenen Spiel und zum Mitspiel mit Gott durch ihn freigesetzt sind. Erst weil Gott mitspielt, erst weil unser Spiel göttliches Spiel wird, ist es ganz menschliches Spiel, ist es unser Spiel.

Zum anderen ist darin mitgesagt, daß Gott nicht nur einsamer Mitspieler ist, einer, der erst dadurch ins Spiel kommt, daß er sich herbegibt zu uns und sich unseres Spieles annimmt. Gott spielt unser Spiel mit in seinem Sohn. Im Sohn eröffnet sich uns aber das Spiel zwischen Vater und Sohn: Der Sohn übernimmt gehorsam den Willen des Vaters und spielt darin dessen Liebe bis zum äußersten uns zu. Also: Auch Vater und Sohn haben ihre Geschichte, haben ihr Spiel, das Spiel der gegenseitigen Hingabe und Verherrlichung. Gott selbst geht also durch den Geist neu und anders auf in Jesus: Gott selbst ist Beziehung, Gemeinschaft, Ineinanderspiel.

Und ein Drittes ist mitgesagt. Wenn unser Spiel nicht von uns allein bestanden werden muß, sondern wenn Gott in Jesus mitspielt und wenn Jesus die Liebe des Vaters einbringt, dann ist auch umgekehrt Gottes Spiel kein in sich verschlossener Kreis. Dieses Spiel öffnet sich vielmehr über sich hinaus, bezieht uns mit ein, es ist das Spiel liebenden Sich-Gebens. Liebendes Sich-Geben ist der „Inhalt“ des göttlichen Spiels in sich und über sich hinaus.

[145] b) Dreifaltiges Urspiel

Muß es uns nicht unheimlich sein, über das innerste Geheimnis Gottes zu sprechen? Nirgendwo mehr als hier kommt in Anschlag, was sich uns als die Not der Sprache zu denken gab: Gestalt ist immer Unterbietung des Ursprungs, das Gesagte immer Unterbietung des zu Sagenden, Unterbietung und Mißverständlichkeit. Das Wort scheint zu haben, aber es hat nicht, sondern kann nur weitergeben, darf also nicht auf sich selber bestehen. Aber gerade weil es ums Geben geht, kann auf das Wort nicht verzichtet werden. Es kann nicht darauf verzichtet werden, daß das Wort faßt, also doch hat, was es losläßt und darin aufgehen läßt als das je Größere.

Freilich nicht nur an der Not der Sprache, sondern auch an ihrer Ermächtigung durch den offenbarenden Gott hat das Reden vom dreifaltigen Geheimnis Anteil. Gott selbst stellt sich unter das Geschick der je endlichen Sprache, um so sich uns zu geben und darin sein Innerstes zu geben. Dann aber geht er, sein Geheimnis nicht unter im Geschick der Sprache, sondern in ihm und über ihm auf als er selbst.

Auf Gottes Spiel in Jesus hin haben wir die Spiele des Menschseins gelesen. Dieses Spiel, zuhöchst das dreifaltige Urspiel selbst, dürfen wir aber auch umgekehrt zu lesen versuchen aus dem Verstehen des Spiels und der Spiele. Das Einmalige, Unvergleichliche dieses Urspiels geht uns gerade auf, wenn wir es eintragen auf die Matrize vom Spiel.

Aufs erste erhalten wir eine Bestätigung: Ja, dreifaltiges Leben ist Spiel. Alles menschliche Hindenken zum unausdenklichen Geheimnis „weiß“ im Grunde doch dies: Es ist ein eines, einziges, unteilbares Geheimnis. Im [146] reinen Ursprung kann es keine Spaltung geben, welche die lautere Einheit zwischen Grund und Ziel, Sehnsucht und Erfüllung mindert. Und die Botschaft Jesu sagt vollmächtig dasselbe. Nur einer ist gut: Gott. Nur auf einen kommt es an: auf ihn. Einheit und Einzigkeit Gottes sind Grunddatum nicht nur des alttestamentlichen, sondern auch des neutestamentlichen Glaubens.

Aber diese Einheit spielt aus mehrfachem Ursprung. Sie ist um so unzerreißbarer, als sie nicht Einsamkeit ist, sondern sich im liebenden Auseinander und Zueinander wieder-holt, einholt, in sich selber schließt und zugleich aufschließt. Das eine Spiel aus mehrfachem Ursprung, das ganze Spiel aus jedem Ursprung: dies ist nirgendwo dichter und radikaler anschaubar als in dem, was wir vom dreifaltigen Leben glauben und denken dürfen.

Diese Einheit ist nicht starr und tot, sie ist geschehende Einheit, scholastisch gesprochen actus. Ihr Leben ist Steigerung; denn indem dasselbe Leben aus mehreren, so aber notwendig aus wesenhaft gleichen Ursprüngen aufgeht, läuft es in vielfacher Richtung. Und in jeder Richtung ist das Wohin dem Woher „mehr“ als es sich selbst – und gerade dies ist die innere Identität dieses Lebens. Leben ist der Ineinsfall von erfülltem Leben, von Leben also, das nicht über sich hinaus muß, und übervollem Leben, das über sich hinaus kann und will. Sich-einander-Geben ist Ineinsfall von reiner Genüge und reiner Freiheit, sich über sich hinaus zu geben. Nirgendwo ist mehr Spiel, reiner Spiel, ursprünglicher Spiel als im Urspiel dreifaltigen Lebens.

Dreifaltiges Leben zeigt sich indessen nicht nur als Bestätigung, sondern als absolute Überbietung dessen, was unser Beobachten und Denken am Spiel ablesen, vom Spiel aussagen kann. Die ganze Spannung des [147] Spiels ist gewahrt – aber ohne die Gefährdung. Die ganze Einheit des Spiels ist gewahrt – aber ohne Verschließung in sich selbst. Auch die Gleichheit der spielenden Pole und ihr Gegensatz sind ins Unvergleichliche, ins qualitativ andere hineingesteigert. Menschen können miteinander ins Spiel ihres Daseins nur treten, weil sie in dieses Spiel die gleiche Art mitbringen, ihr Menschenwesen, das ihnen, ihrem Dasein als einzelne, sozusagen vorausgeht. Ich kann nur Klavier spielen, weil der Mensch zum Hören und das Klavier zum Klingen beschaffen sind, weil ich Finger habe, die Tasten zu bewegen, und weil es Tasten gibt, die sich von mir bewegen lassen. Fürs göttliche Spiel gibt es keine Voraussetzung. Es gibt nicht den Vater, den Sohn und den Geist und dann ihr Spiel, ihr Gottsein – es gibt nicht die Gottheit, das göttliche Wesen und dann die Spieler, die es in Szene setzen. Das göttliche Spiel – und das heißt Gott – ist nichts anderes als dies: daß Vater, Sohn und Geist sich zueinander verhalten, sich einander geben und zuspielen. Und sie sind nichts anderes über, vor, außer, nach ihrem Sich-einander-Geben.

Gerade so ist nicht nur ihre Gleichheit und Einheit miteinander ausgesagt, ihre absolute Identität mit dem Spiel, das sie spielen, sondern auch ihre absolute Differenz. Daß ich der Sohn bestimmter Eltern bin, ist zwar Bedingung dafür, daß ich da bin. Daß ich aber Mensch bin, mein Wesen, ist nicht von meinen Eltern gemacht, ist nicht von meinem konkreten Verwandtschaftsverhältnis abhängig. Daß in der Dreifaltigkeit der Sohn der Sohn ist, daß er aus dem zeugenden Ja des Vaters hervorgeht, der nichts anderes ist als dieses zeugende Ja – das ist der Sohn, ist er selbst und ist so in einem die unbedingte Gleichheit mit dem Vater und das unbedingte [148] Verhältnis zu ihm, insofern auch die unbedingte Differenz von ihm.

Wir dürfen die Gegenfrage nicht übergehen, ob solches Ausziehen der Linien des Spiels ins unbedingte, erfüllende Gegenteil menschlicher Verhältnisse nicht doch bloße Gedankenspielerei sei. Ginge es allein darum, ausgedachte Strukturen bis zu ihrer äußersten Konsequenz durchzuziehen und so für den Gedanken zu bestätigen, behielte die Gegenfrage recht. Der Sinn – und in der Folge der Ertrag – unseres Hindenkens vom menschlichen Spiel zum dreifaltigen Urspiel ist jedoch anderer Art. Christlich gelesen, sagt das, was wir uns beim Wort Gott denken können, sagen Unbedingtheit, Einheit, Unveränderlichkeit, Ewigkeit, Allmacht nichts anderes mehr als das Eine: Sich-Geben. Es gibt keinen diesem Sich-Geben entzogenen „Rest“. In seinem Sich-Geben ist Gott ganz drinnen, und dieses Sich-Geben ist seine Unbedingtheit, Einheit, Unveränderlichkeit, Ewigkeit, Allmacht.

Das ist die Umdrehung des Gottesbildes – das ist aber auch die Umdrehung des Menschenbildes, des Weltbildes, unserer selbst und unserer Spiele. Sich-Geben ist nicht mehr nur der Horizont, ohne den das Sich-Haben nicht gelingen kann. Sich-Geben ist das Zentrum, ist die Sache selbst. Wir sind nur, sofern wir uns geben. Unsere Spiele spielen nur, sofern sie dieses Eine aufführen: Sich-Geben. Und das Sich-Geben selbst ist dem Zwiespalt zwischen Gewinn und Verlust entrissen in das Ja, das der sich gebende Gott selber ist. Damit ist auch der Zwiespalt aller unserer Spiele, der Zwiespalt zwischen Ohnmacht und vollendender Macht entschieden, will sagen: er entscheidet sich daran ob wir dem Sich-Geben Gottes recht geben in unserem Uns-Geben.

[149] Dann aber haben wir nicht eigentlich unser eigenes Modell ins Unendliche hinein vergrößert, haben wir nicht uns selbst auf Gott projiziert und daraus Trinitätsspekulation werden lassen. Wir haben vielmehr von Gott her, von seiner Offenbarung in Jesus her versucht, im Denken ernst zu machen mit der radikalen Umkehr, die seine Botschaft von der Gottesherrschaft und von der Liebe des Vaters verlangt. Kehren wir noch einmal ins Feld unserer Spiele zurück, um in ihrem Gleichnis das zu lesen, wovon sie Gleichnis sind: dreifaltiges Leben.

Alles menschliche Spiel ist eröffnet vom Interesse, davon, daß das Gute uns anzieht, als Zukunft das Spiel in Gang bringt. Unser Dasein ist der Einsatz, ist die Herkunft, ist das Je-schon-im-Spiel-Sein, das auf dem Spiele steht. Aus solcher Herkunft in die Zukunft tretend, begegnen beide einander, kommen beide zur Sprache, findet das Spiel seine Sprache, seinen lichten Raum: es geschieht Gegenwart.

Am dreifaltigen Leben angeschaut: Die Eröffnung des dreifaltigen Lebens ist das Vatersein des Vaters, er ist die unbedingte Herkunft, er der unbedingte Anfang. Darin aber ist der Anfang des Anfangs der Sohn; denn er ist das Interesse des Vaters, die Zukunft des Vaters, welche der Vater sich einräumt. Der Sohn ist als das Wort, auf das der Vater hinauswill, das unbedingte Gut, das, was seinen Schoß aufschließt. Der Sohn ist ganz vom Vater her, er verdankt sich ganz dem Vater, und darin – Gutsein heißt sich verströmen – ist er Hinwendung, Rückwendung zum Vater. Beide geben sich einander, und so geschieht Übereinkunft, Gegenwart, Geist. Der Vater ist im Sohn, der Sohn im Vater. Der Geist macht Vater und Sohn einander gegenwärtig, gewährt ihnen, im Hersein von beiden, zugleich ihr Zueinander. Reiner Innenraum [150] des göttlichen Lebens, ist er in einem die Kraft seiner Eröffnung nach außen, so daß wir eintreten dürfen, einbezogen werden ins Leben mit dem Vater und dem Sohn.

Diese Darstellung des dreifaltigen Spiels weicht ab von der klassischen Zuordnung der transzendentalen Bestimmungen zu Sohn und Geist. Der Vater zwar gilt auch in Patristik und Scholastik als das Sein, als die Macht, als die unbedingte Herkunft. Der Sohn hingegen wird das Wort, die Weisheit, die Wahrheit genannt. Dem Geist wird die Güte, die Liebe, die Gemeinschaft zuerkannt. Die äußeren Anlässe sind mannigfach. Wahrheit wird eben vom Wort, einem der Urtitel des Sohnes, her gefaßt; die Dimension Gespräch, die Übereinkunft miteinander tritt in der Spekulation über die Wahrheit vor der Übereinkunft zwischen Intellekt und Sache zurück. Weil der Geist Sohn und Vater miteinander verbindet und weil Liebe Sich-Verströmen, Sich-Verströmen aber das Merkmal des Guten ist, wird der Geist vom Guten, vom bonum her gelesen. Das Modell für trinitarische Entwürfe ist, vor allem in der Folge Augustins, das Selbstbewußtsein. Hier wird die memoria, das Gedächtnis, die Präsenz dessen, was ist, auf den Vater hin, der intellectus, die Einsicht, das Vermögen des Wortes auf den Sohn hin, das Vermögen des Wollens, der Liebe auf den Geist hin gelesen. Erkennen folgt dem Sein – der Sohn kommt aus dem Vater, nach dem Vater. Wollen, Tun folgt dem Sein und dem Erkennen – der Geist kommt aus Vater und Sohn, nach Vater und Sohn. Auch die Zeitdimensionen spielen bei klassischen Versuchen, dreifaltiges Leben in den Horizont unseres Erfahrens und Denkens einzubringen, eine Rolle: der Vater als die Herkunft, der Sohn als die lichtende Gegenwart, der Geist als das Letzte, die Frucht, die Zukunft.

[151] Beide Sichtweisen schließen einander nicht aus, sie lassen sich vermitteln. Stoßen wir von zeitgeschichtlichen Anlässen ab, schauen wir aufs Phänomen, aufs Ineinander und Auseinander der Zeitdimensionen. Die Gegenwart steht einesteils zwischen Herkunft und Zukunft, Zukunft kommt also zuletzt. Anders betrachtet – und diese Betrachtung leitete uns –, kommt die Gegenwart „zuletzt“. Sie ist als Gegenwart nur verständlich von Vergangenheit und Zukunft her, sie ist ihr Zusammenstoß, ihr Zugleich. Ebenso kann einerseits ein Interesse nur dann interessieren, ein Gutes nur dann anziehen, wenn wir bereits existieren und bewußt existieren, im Licht, als Erkennende existieren – ein alter Grundsatz heißt: Nichts ist im Wollen, was nicht zuvor im Erkennen ist. Andererseits hat es aber genauso sein Recht, daß wir mit dem Spiel des Interesses angefangen haben und das Spiel des Daseins, der Herkunft, und das Spiel der Sprache, der Gegenwart, folgen ließen. Nur auf Zukunft hin wird unsere Herkunft offen, also gegenwärtig. Die Gegenwart in der Sprache verbindet und eröffnet füreinander den doppelten Vorrang und Vorgang von Zukunft und Herkunft. Daher läßt sich gleichermaßen alles auf Zukunft wie alles auf Gegenwart als ihr letztes hin lesen, alles aufs Gute wie alles auf die im Gespräch eröffnete und es eröffnende Wahrheit hin lesen.

Im Blick auf den dreifaltigen Gott und seine Geschichte mit uns in Jesus: Der Vater ist Vater, indem er den Sohn zeugt, und beide wenden sich einander zu, sind einander gegenwärtig im Heiligen Geist. Der Vater verherrlicht den Sohn, sein Wille über den Weg Jesu ist die Verherrlichung Jesu als Sohn, seine Erhöhung zur Rechten. Und die – hier eingeholte – Einheit und Gleichheit von Vater und Sohn geht auf, wird Gegenwart auch für [152] uns im Heiligen Geist. Der Vater will im Sohn – Ziel der Heilsgeschichte – uns zu Söhnen machen, und so sind wir unterwegs zwischen Vater und Sohn, sind auf dem Weg zum Ziel – im Heiligen Geist. Er ist der Raum, in dem wir leben, der Raum unserer Gegenwart. Dies ist die eine Sichtweise, jene, die für uns führend war.

Die andere Sichtweise, die in der Tradition weithin führend war: Der Vater ist sich gegenwärtig, sich hell im Wort, im Sohn. Was er will, ist die Einheit mit dem Sohn im Geist. Der Geist als Gabe, die Vater und Sohn einander geben, ist das Ziel. Der Vater sendet den Sohn in die Welt, macht sich uns gegenwärtig im Sohn. Dies aber ist nicht das Ende der Bewegung. Ziel ist die Sendung des Geistes, in der wir den Vater und den Sohn erkennen, in die Einheit mit dem Vater und dem Sohn eintreten. Das Zeitalter des Sohnes, das Werk des Sohnes dauert an bis zum Ende der Geschichte. Wir sind auf den Weg des Sohnes gewiesen. Was aussteht, ist jene Gemeinschaft, in welcher der Geist ganz da ist und durch ihn wir ganz da sind in der Gemeinschaft Gottes als die vollendete Gemeinschaft der Heiligen.

So zeigt sich eine doppelte Eschatologie in der doppelten Pneumatologie, in der doppelten Stellung des Heiligen Geistes. Einmal ist der Geist der Gegenwärtige. So gelesen, ist die Zukunft – der verherrlichte, wiederkommende, unser Sohnsein vollendende Christus – in der Gegenwart des Geistes schon da. Das andere Mal ist der Geist der Zukünftige, die Vollendung. So gelesen, ist unsere Gegenwart noch Unterwegssein, das Ziel steht aus. Beide Sichtweisen ergänzen sich, fordern sich gegenseitig – nicht nur in einer abstrakten Ableitung, sondern in der christlichen Grunderfahrung, die immer das Noch-[153]nicht und das Schon-jetzt gleichermaßen ernst zu nehmen hat.

Daß zwei so unterschiedliche Sichtweisen desselben möglich, wir dürfen sagen, daß zwei so unterschiedliche Spielweisen desselben dreifaltigen Spieles wirklich sind, hat Konsequenzen. Es gilt, und das ist die grundlegende Sicht: Der Richtungssinn des dreifaltigen Lebens ist unumkehrbar. Der Vater bleibt Vater, bleibt anfangloser Ursprung. Sein Vatersein ist Hervorgehenlassen des Sohnes. Und aus beiden zugleich geschieht der Hervorgang des Geistes. Weil aber in diesem Geschehen ganze Mitteilung, ganzes Sich-Geben sich ereignet, kann das ganze Spiel von jedem her – auch vom Sohn und vom Geist her – gelesen, kann es auf jeden zu gelesen, kann es in jedem als der vermittelnden Gegenwart gelesen werden. Jede dieser Lesarten nimmt uns zugleich in eine andere Perspektive der Geschichte Jesu und unserer Geschichte mit hinein. Nachdem wir vom Vater als Herkunft her einmal den Sohn und einmal den Geist als Zukunft gelesen haben, sei nur noch eine Perspektive, eine „Spielart“ nachgetragen, die uns schon in den letzten Schritt unserer Überlegung geleitet: der Vater als Zukunft.

Weil Sohn und Geist vom Vater ausgehen, weil der Vater der Ursprung des Sich-Gebens ist, ist er auch das Ziel, ist er der „einzig Gute“, jener, zu dem das dreifaltige Leben zurückläuft. Das Hin auf den Vater ist die Dynamik des Geistes. Er ist der vom Vater Angezogene, ist von ihm her ermächtigt, die Kraft zu sein, in welcher Rückkehr zum Vater geschieht. Im Geist wendet sich der Sohn zum Vater, im Geist ist das Wort Antwort an den Vater. Dies ist auch die Bewegung des Lebens Jesu. Aus dem Heiligen Geist gezeugt, vom Geist getrieben, ist [154] sein einziges Ziel, sein einziges Woraufhin der Vater. Sein Leben ist: je herkommend aus dem Geist unterwegs sein zum Vater. Dies wiederum ist die Bewegung unseres Lebens. Voraussetzung, Herkunft unseres Christseins ist die Gabe des Geistes. Nur aus ihr vermögen wir zu leben. Aus dem Geist aber leben wir hin auf den Vater, wird er unser einziges Warum und Wohin. Darin werden wir gleichgestaltet mit dem Sohn, gehen wir seinen Weg, werden wir Glieder an ihm. Hier hat unsere Nachfolge ihren Ort, bis wir mit dem Sohn aus dem Geist unser ganzes „Abba, Vater“ sagen.