Pilgerndes Gottesvolk – geeintes Gottesvolk

Das Gesetz des pilgernden Gottesvolkes: das Neue Gebot*

Wir können unsere Reflexion über Trinität als Ikone der Kirche und Kirche als Ikone der Trinität in folgende knappe Punkte zusammenfassen:

  1. Als das Einssein in Gleichheit und Unterschied zugleich, in welchem die absolute Liebe aufscheint, ist die Trinität die „Ikone des pilgernden Gottesvolkes“. Indem sie in Jesus Christus ist und indem sie geeint ist, ist sie inne in der Einheit des Sohnes mit dem Vater im Geist und wird befähigt, auch in sich das lebendig zu spie­geln, was als das je größere Maß, der je größere Ursprung und das je größere Ziel ihr in der Trinität voranleuchtet.1

  2. Im Leben des Neuen Gebotes als „Gesetz“ des pilgernden Gottesvolkes bewährt sich die Kirche als die Ikone, als die wirkmächtige Anschaulichkeit des dreifaltigen Gottes in der Welt und für die Welt. Vom Subjekt Kirche wird prädizierbar, daß sie [367] das aus der Einheit des Vaters und des Sohnes und des Geistes geeinte Volk ist.

  3. Im Einssein aufgrund und nach Maß des Neuen Gebotes wird jene Struktur von Kirche als communio sichtbar, die ihr vorgegeben und objektiv unverlierbar eingestiftet ist. Sie umfaßt zum einen die Einheit im Bewahren und Bezeugen der Wahrheit des Evangeliums und im Sakramentsein für die in Jesus der Welt sich schenkende Lie­be des dreifaltigen Gottes, zum andern die Gleichheit aller in der Würde als Gotteskinder, als von Jesus Christus Geprägte und so zum Teilnehmen an seinen drei Ämtern als Priester, Prophet und König Gerufene, und schließlich die Verschiedenheit der Dienste und Charismen, welche die hierarchische Amtsstruktur und die gegenseitige Verwiesenheit der Dienste und Charismen aufeinander einschließt. Dieses Ineinander von Einheit, Gleichheit und Unterschiedenheit gelingt als Zeugnis von communio, wo im Leben der Kirche Einheit, Gleichheit und Unterschiedenheit zugleich als Ausdruck von Liebe glaubhaft werden. Dies ist Ziel und Maß einer communio-Pastoral.

  4. Dann aber ist das Ziel kirchlicher Struktur und der Bemühung um sie nicht ein „Kompromiß“ zwischen den drei genannten Momenten der Einheit, der Gleichheit und der Unterschiedenheit, erst recht nicht ein Kampf dieser verschiedenen Dimensionen oder auf­grund dieser verschiedenen Dimensionen, sondern jenes Einssein in der Liebe und in der Wahrheit, das Voraussetzung dafür ist, daß der Herr der Kirche, Jesus Christus selbst, in ihrer Mitte ist, als die le­bendige und wegweisende Mitte den Pilgerweg der Kirche begleitet und in ihr das im Sohn eröffnete Einssein mit dem Vater im Geist als Botschaft und Lebensinhalt der Kirche erhellt.


  1. Vgl. zur Struktur dieses vielfältigen einenden Inneseins die „Wie“-Aussagen in Joh 17,20–26. ↩︎