Spiritualität – was heißt das?
Das Grundwort: Geist
Aber auch das ist noch nicht das Ganze. Spirituell, das heißt zu deutsch: geistlich. Spirituell, Spirituali¬tät haben es also mit Geist zu tun.
Und ehe wir in die theologische Mitte einsteigen, [14] sollten wir einmal dem Wort „Geist“ ruhig etwas genauer zuhören. Im Hebräischen wie im Griechi¬schen, im Lateinischen wie in den germanischen Sprachen haben Geist und Atem, Hauch oder Wind etwas miteinander zu tun; Zeitwörter, die im Hin¬tergrund des Hauptwortes Geist stehen, sind etwa: blasen, hauchen, wehen. Mir sagt jener Vers im zweiten Schöpfungsbericht des Buches Genesis viel, der eine vordergründig recht naive Vorstellung von der Erschaffung des Menschen aufgreift: „Da formte Gott, der Herr, den Menschen aus Erde vom Ackerboden und blies in seine Nase den Lebens¬atem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen“ (Gen 2,7).
„Lebensatem“, das ist das Wort, das auch „Geist“ bezeichnet. Da ist also ein perfekter Körper model¬liert, die Proportionen stimmen, die Glieder sind da, aber das Ganze ist ein totes Gebilde, ein höchstens von außen zu bewegender Mechanismus. Und nun kommt Gott und bläst seinen Lebensatem, seine Kraft, von sich her aufzubrechen und sich zu bewe¬gen, zu sprechen und zu handeln, hinein in diese Lehmpuppe. Und sie schlägt die Augen auf und regt die Hände, lacht und sagt: du und ich, Gott und Welt. Von außen wurde es dem Menschen gegeben, daß er nun von innen her leben kann, von Gott ist es ihm geschenkt, daß er nun selbst haucht und atmet und lebendig hineinreicht und hineingreift in Welt und Geschichte.
Es geht hier nicht darum, dieses Bild zu vertiefen bis zu jener gültigen Sicht vom Menschen, die bis ins Innerste und Anfänglichste hinein die formende Geistseele und den durchformten Leib aufeinander bezieht. Wohl aber berühren wir in diesem urtümli¬chen Bild von der Erschaffung des Menschen den springenden Punkt für unsere Frage nach Spirituali¬- [15] tät: Etwas, das wir nicht haben, etwas, das Gott uns schenkt, wird gerade als dieses Geschenk unsere ei¬gene Kraft, zu leben und uns zu bewegen, uns in Beziehung zu setzen zu ihm und zu allen. Von Got¬tes Geist aus so zu leben, daß ich darin gerade von mir her lebe, Gottes Geist mir so zu eigen zu machen, daß er mich persönlich prägt und bestimmt: darum geht es in Spiritualität.