Einleitung zum Dokument: Der priesterliche Dienst

Das Koordinatensystem

Zwei begriffliche Markierungen kennzeichnen das synodale Dokument im ganzen. Einmal ist es die leitende Rolle des Bildes vom guten Hirten, in das andere Ansätze und Konzepte zum Verständnis priesterlichen Dienstes integriert werden (vgl. 9.2). Zum anderen ist es das Begriffspaar missio und communio, unter dem zumal die konkreten Aussagen über den priesterlichen Dienst gegliedert sind (vgl. die Überschriften im II. Teil vor 17 und 21).

Die Felder, in denen der theologische Gedanke durchgespielt wird, wurden schon genannt: einmal der Situationsbezug, also die Stellung priesterlichen Dienstes zur „Welt von heute“; zum anderen die Kirche, in deren Dienst und Auftrag Funktion und Auftrag des Priesters ihren Ort haben; schließlich Jesus Christus selbst, von dem her priesterlicher Dienst verstanden und ergriffen werden will.

In diesem formalen Koordinatensystem – der gute Hirt; missio und communio; Welt, Kirche, Christus – kommt die Konsistenz und Konsequenz eines einheitlichen Gedankens zum Austrag. Zugleich ordnen sich ihm aber auch die Fragen ein, die faktisch auf der Synode zur Debatte standen. Sie lauten in etwa: Kann priesterlicher Dienst, so wie er in der fundamentalen Tradition der Kirche entstanden ist und verstanden wurde, in unserer Welt noch verstanden und aufrecht erhalten werden, kann er in ihr „ankommen“? Ist er – in einer gemäßen Hermeneutik christlichen Glaubens – noch primär als nach innen gerichteter Dienst an der Kirche zu verantworten oder ist er primär Dienst am Aufbau, an der Erneuerung, gar an der Veränderung der Gesellschaft? Weiter: Ist priesterlicher Dienst einfach ein kirchlicher Dienst unter anderen, von den jeweiligen Entwicklungen und Notwendigkeiten der Kirche rein funktional definierbar und insofern auch verfügbar? Gibt es für ihn ein „Gegenüber“ zu anderen Diensten? Ist er ein spontan aus der jeweiligen Gemeinde und für sie charismatisch entstehender Dienst? Oder ist er auf die Kirche im ganzen und auch auf eine übergreifende Ordnung von Kirche im ganzen [15] bezogen? Erhält er seine Legitimation aus der inneren Dynamik des Amtsträgers oder aus der Meinung und dem Willen der Gemeinde, oder aber weist seine Legitimation in jene Schicht von Kirche zurück, in der diese sich selbst dem unverfügbaren Willen des Herrn, seiner Sendung und seinem Auftrag verdankt? Schließlich: Gibt es eine spezifische Weise, wie priesterlicher Dienst am Dienst Christi teilhat, ja wie er ihn repräsentiert? Oder ist es eine Ideologisierung, gar Anmaßung, wenn vom Priester gesagt wird, er handle in persona Christi? Inwieweit gibt es einen legitimen Anspruch an den Priester, sich amtlich oder persönlich mit Jesus Christus zu „identifizieren“? Wo hätte ein solcher Anspruch seinen Grund, sein Maß, aber auch seine Grenze?

Diese Fragen umreißen indessen nicht nur die Felder des Bezuges priesterlichen Dienstes auf die Welt, auf die Kirche und auf Christus; sie sind in ihrem letzten Grund insgesamt „christologisch“ orientiert, christologisch in einem freilich übergreifenden und radikalen Sinn: Wie verhält sich in Jesus die Sendung, die ihn unterscheidet und einmalig macht, zur Gemeinschaft, in der er solidarisch mit der Welt, einer von allen, mit allen und für alle ist? Ist missio Christi nur eine Projektion der communio Christi et in Christo – oder ist sie ihr Fundament? Und wenn eine missio Christi akzeptiert wird: wie verhält sich in ihr Hoheit und Dienst? Und weiter: Kann nur sein Dienst oder kann und muß in diesem Dienst auch seine Hoheit „kommuniziert“, geschichtlich konkret weitergegeben werden? Diese christologischen Fragen sind die Lebensfragen für das Selbstverständnis der Kirche und – das zeigt der Blick auf die konkreten Probleme sofort – auch für das Selbstverständnis des Priesters.

Die Fragen um den Priester sind christologische Fragen – und das Koordinatensystem, in das sich die Aussage der Synode fügt, ist seinerseits das Koordinatensystem einer universalen und radikalen Christologie.