Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken und die Diözesen

Das Miteinander der Diözesen

Aufgrund des Dargelegten läßt sich vorläufig das Koordinatensystem abstecken, in welchem die Funktion des Zentralkomitees für die Bistümer ihren Ort hat. Er ist einmal bestimmt durch das Verhältnis der Bistümer unseres Landes zueinander und zur Kirche in Europa und in der Welt. Er ist des weiteren bestimmt durch die Vielzahl verfaßter Initiativen, Aktivitäten und Vereinigungen, in denen sich konkret kirchliches Leben in unserem Lande ausfaltet.

Zunächst ist das Verhältnis der Bistümer unseres Landes zueinander zu befragen. Ihr Miteinander ist sinngemäß mehr als ihre bloße Summe. Das Leben in derselben gesellschaftlichen Situation bedingt gleiche Schwierigkeiten und Möglichkeiten, das Evangelium zu verstehen, es zu bezeugen und es zu verwirklichen. Dieselbe „publizistische“ Situation, der Anteil an denselben Informationsquellen und Informationsvorgängen, bedingt ebenfalls eine gemeinsame „hermeneutische“ Situation für Glaube und Verkündigung, Die gemeinsame kulturelle und geschichtliche Tradition, die starke Binnenwanderung, die einzelne Diözesangrenzen überschreitende und überschneidende Großräumigkeit gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Entwicklung, dies alles stellt vor gemeinsame Fragen und Aufgaben. Das löscht die legitime Vielgestalt einzelner Entwicklungen in verschiedenen Räumen, stämmische und landschaftliche Unterschiede, kurzum: die Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der einzelnen Diözesen keineswegs aus. Anderseits genügt es aber nicht, nur jeweils aus dem bestimmten Blickwinkel der einzelnen Diözese heraus die Meinungen, Fragen und Lösungsversuche zu addieren und abzugleichen. Dieselbe Situation muß als eine und sie muß daher in einer gemeinsamen Bemühung aller bestanden werden.

Dem gilt vor allem die Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland. Sie ist mehr als die Addition einzelner Diözesansynoden, so wichtig es ist, im gemeinsamen Blick aufs Ganze die Differenzierungen des einzelnen nicht zu nivellieren. Im Unternehmen der Gemeinsamen Synode kommt, zumindest im Ansatz, aber auch zum Durchbruch, daß nicht ausschließlich der Bischofskonferenz – unbeschadet ihrer leitungsamtlichen Gesamtverantwortung – die Sorge um die Einheit und um den gemeinsamen weiteren Weg der Kirche [102] unseres Landes aufgetragen ist. Gerade wenn sich ins Ganze übersetzen soll, was im Konkreten und einzelnen an Nöten und an Leben aufbricht, und wenn umgekehrt die Einheit des Gesamten sich hineingestalten, sich übersetzen soll ins vielfältige Leben überall, in allen Schichten und auf allen Ebenen, ist das Miteinander der vielen Gaben und Dienste, der vielen Initiativen und Ansätze vonnöten, die zum wirklichen Bild der Kirche gehören. So ist es denn auch folgerichtig, wenn die einzelnen Bistümer als solche nicht das einzige und erschöpfende „Prinzip“ der Beschickung dieser Gemeinsamen Synode darstellen, sondern wenn institutionell dafür Raum geschaffen ist, daß die Wahlen aus den Bistümern durch Zuberufung bzw. Zuwahl ergänzt werden, die der Bischofskonferenz und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken obliegt.

Dieses konkrete Beispiel der Gemeinsamen Synode wurde nicht deshalb herausgegriffen, weil es hier darum ginge, Einzelheiten der Regelung für die Synode zu rechtfertigen oder kritisch zu prüfen, vielmehr deswegen, weil dabei eine Schlüsselfrage auftaucht, die in die Mitte unseres Themas führt. Es könnte nämlich der Eindruck entstehen, die Gemeinsame Synode bzw. ein aus ihr entstehender ständiger synodaler Rat erfülle eigentlich am gemäßesten die Funktion der notwendigen „mittleren Einheit“ zwischen dem Leben der einzelnen Bistümer und dem Leben der Gesamtkirche. Ist eine in sich stehende Bischofskonferenz und daneben ein in sich stehendes Zentralkomitee der deutschen Katholiken überhaupt sinnvoll?

Im folgenden soll versucht werden, aus der Situation heraus, in welcher die Kirche unseres Landes steht, eine „Gegenfrage“ zu formulieren. Sie könnte mit der ersten Frage zusammengelesen einen größeren Horizont eröffnen, in dem sich gemäße Linien der weiteren Entwicklung sowohl für das Zentralkomitee der deutschen Katholiken als auch für die weitere Koordination und Kooperation der Bistümer unseres Landes abzeichnen.