Glauben – wie geht das?

Das neue Weltmodell

Wir müssen noch einen Schritt weiter. Die Welt steht nicht nur in einem neuen Licht, wir sind nicht nur in ein neues Verhältnis gewiesen zu der Welt, die es gibt – als Glaubende fangen wir an, Welt neu zu gestalten, damit es neue Welt gebe. Nicht daß wir die Welt vollenden können. Dies liegt in den Händen Gottes allein, dies wird geschehen, wann der Herr wiederkommt. Aber schon jetzt erleiden wir nicht nur die alte Welt und empfangen nicht nur die neue, sondern gestalten Welt, zeichenhaft, anfanghaft, aber eben doch als Zeugnis, das geschichtlich wirken soll.

Welt haben füreinander

Es mag entlegen erscheinen, und doch trifft es den Kern. Jesus sagt in seinem Abschiedsgebet zum Vater: „Alles meine ist dein und alles deine ist mein“ (Joh 17,10). Im Grunde ist dies die neue Position der Welt, wie sie uns im Kommen Jesu aufgeht: Die Welt ist das Geschenk des Vaters an den Sohn und des Sohnes an den Vater. Der Vater gibt den Sohn hin für die Welt und schenkt ihm die Welt, alles ist ihm gegeben. Und der Sohn legt alles in die Hände des Vaters zurück, hat nichts außer im Vater und vom Vater her. In dieser Beziehung von Vater und Sohn stehen wir mittendrinnen. Wir sind in sie [185] hineingenommen, unser Leben wird Gabe; was wir haben, wird Gabe.

Es ist so nur konsequent, daß die Gemeinschaft der Güter, daß Sorgen füreinander und Teilen miteinander den Rhythmus des Lebens in der jungen Gemeinde bestimmt (vgl. Apg 2,43–47; 4,32–35). Paulus greift dieses selbe Motiv bei seiner Sammlung für die Gemeinde in Jerusalem auf: Großzügiges, angstfreies Schenken im Vertrauen darauf, daß der lebendig und nahe ist, der uns alles schenken wird, was wir brauchen – dies heißt gelebter, vollzogener, welthaft gewordener Glaube (vgl. 2 Kor 8 und 9). Das neue Gemeindemodell soll das neue Weltmodell werden. So fatal es ist, wenn man bei „Kirche“ immer an den Sammelhut des Pfarrers zu denken Anlaß hat, so sehr spiegelt sich in solcher Verzerrung doch ein elementarer Grundzug unseres Glaubens: er muß sich bewähren in der Weise, wie wir füreinander und für alle geben, leben, da sind.

Christen müssen jene sein, die im Umgang mit den Gütern der Welt die neue und doch ursprüngliche „Ontologie“ des Welthaften beglaubigen: Alles ist Gabe, alles ist zum Verschenken und Sich-Verschenken da, noch das Vergehen ist Spur und Chance des Weitergehens, indem eines dem anderen Raum macht, eines das andere nährt und trägt.

Einssein miteinander

Alles füreinander haben, die Welt als das Füreinander der Menschen und der Dinge – dies läuft hinaus auf jenes Einssein miteinander, das in der Communio Sanctorum als Ziel der Menschheit und der Welt aufleuchtet. Im universalen Frieden aller mit allen, in der Liebe, in welcher alle das dreifaltige Leben spiegeln, wird auch die Einheit und Fülle der Welt vollendet sein. Solche Einheit ist der Gegensatz zur summierten Einsamkeit der Individuen und zur Nivellierung der einzelnen in der Masse. Es ist Einheit in jener Liebe, die alle verbindet und in der Verbindung doch die Unterscheidung wahrt. Nur aus solcher Einheit kann es auch in der Welt, in ihren Gütern, in ihren Kulturen gelingen, Verschiedenheit nicht auszu- [186] löschen und doch umfassende Kommunikation zu ermöglichen. Entschiedene Schritte dahin sind zumal heute fällig, wenn unsere Welt nicht zerbrechen oder in sich selbst zerfließen soll. Gelebte Einheit der Menschen miteinander nach dem Maß Christi ist nicht nur für die Zukunft der Menschheit, sondern auch für die Zukunft der Schöpfung lebensnotwendig.

Eucharistie

Gott gibt sich, die Menschen geben sich, die Welt gibt sich – dies wird anschaubar, dies wird Wirklichkeit schon jetzt in der Eucharistie. Hingabe und Dank und Lobgesang an den Vater, Heimkehr zum Vater – Gabe aneinander, Einswerden miteinander – Weitergabe an alle, Austeilung an alle, bis alle eins sind: dieser Gang und diese Dimensionen der Eucharistie sind Geheimnis und Weg einer erlösten, erneuerten Welt.