Ökumene aus der Mitte

Das Schlüsselwort

Wir beten es alle Tage: Wie im Himmel so auf Erden. Es steht im Herzen der Bergpredigt, begegnet immer wieder in der Botschaft Jesu: Seid vollkommen, seid barmherzig, wie euer Vater vollkommen, wie er barmherzig ist. Und noch einmal, bei Johannes, zielt dieses Wort „wie“ in die Mitte der Botschaft und des Auftrags: Wie Jesus aus dem Vater lebt und vom Vater gesandt ist, so sollen wir durch ihn leben und werden wir von ihm gesandt; dies ist sein Gebot, das Neue Gebot, daß wir einander lieben, wie er uns geliebt hat; dies ist sein Testament, seine Bitte für uns an den Vater: Laß sie, laß alle eins sein, wie du Vater in mir und ich in dir.

[4] Was hat es, über alle theologischen Schichten und Sprünge des Neuen Testamentes hinweg, mit diesem Wie auf sich? Wir sollen uns offenbar nicht nur, eben wie Ingenieure, um den Bau und die Erhaltung von Leitungen und Kanälen mühen, durch welche ein Wasser fließt, das man erst später einmal trinken wird. Wir sollen und dürfen vielmehr schon jetzt an die Quellen gehen, schon jetzt aus dem Ursprung Gottes, aus der Zukunft Gottes leben. So vorläufig, so endlich, so mühsam unser Dasein auch ist, der Glanz und die Nähe Gottes wollen schon jetzt unser Leben durchdringen. Und von diesem Glanz und dieser Nähe muß etwas spürbar, etwas erfahrbar werden auch und gerade in der Institution Kirche.

Sicher, wir dürfen die Zeit nicht überspringen, wir dürfen die Kirche nicht mit dem Reich Gottes verwechseln. Wir müssen den Proviant Gottes wahren und kosten, der da heißt: Bekenntnis und Sakramente und Amt und Recht. Aber wir dürfen doch nicht vergessen, daß alles das vorläufig ist, nicht Selbstzweck, sondern bloß Mittel. Und mit Hilfe dieser Mittel sollen wir, wenn auch unter Verfolgung und Bedrängnis, schon jetzt in der neuen Ordnung des Himmelreiches, in der Freude des Hundertfältigen leben (vgl. Mk 10, 30).

Der Trost und das Licht dieses Wie für meine eigene Situation sind mir indessen nicht aus einer einsamen theologischen Reflexion erwachsen. Sie stammen vielmehr aus der Erfahrung von Brüderlichkeit, von Gemeinschaft, die ich seit vielen Jahren immer mehr als die Grundlage, ja als den Lebensraum meines Dienstes verstehen darf. Und genau das ist doch auch der Inhalt, auf den dieses vielfältige Wie uns hinweist. So unterschiedlich die Wie-Worte der Schrift auch sind, sie führen uns hin zu einem innersten Kern: zur Gemeinschaft Jesu mit dem Vater, zu ihrem gegenseitigen Innesein, zu ihrer Einheit im selben Heiligen Geist. Wie Jesus mit dem Vater lebt: das ist das Bleibende, das ist das Maß und die Kraft auch für unser Jetzt. Und in diese innigste Beziehung läßt Jesus uns hinein, oder anders gewendet: Jesus trägt sie hinaus in die Welt, damit sie sich wiederhole zwischen uns, damit sie sich ausbreite und Gestalt gewinne in allen menschlichen Verhältnissen – bis alle eins sind.